Blutseele
und hob ihr Hemd auf.
»Das wirst du auch nicht müssen.« Mit unsicheren Schritten ging sie über den unebenen Boden, suchte nach einer Kerze und entzündete sie an der Laterne, die immer noch am Eingang stand.
»Lilly?«
Zitternd entzündete sie die Lunte, und die Funken, die aufstiegen, erleuchteten ihre entschlossene Angst.
»Lilly.«
Er war unsicher, aber ahnungslos. Mit gleichmäßigen Schritten ging sie zum Eingang der Höhle, während ihr Blut sich abkühlte, weil das Feuer ihrer Leidenschaft bereits zu Asche geworden war. »Ade, Penn.«
»Lilly!«, schrie er, aber sie duckte sich durch die Ranken und drückte schützend den Rücken gegen den Fels daneben, als die Erde zitterte und Schwaden von kühlem Staub und Steinsplittern aus der Öffnung flogen.
»Lilly!«, schrie er erneut, aber sie war sich nicht sicher, ob sie es nur in ihrem Kopf gehört hatte.
Die zweite Explosion war stärker. Lilly fiel. Ihre Hände suchten Halt, ohne ihn zu finden, während sie den steilen Abhang hinuntergeschleudert wurde. Sie schrie auf, als sie gegen einen Baum prallte, dann sah sie auf, weil die Felsnase hoch über der Höhle sich löste und nach unten fiel, um die Öffnung zu versiegeln, die schon nach der ersten Explosion verschlossen gewesen war.
Lilly!
Bald war das Rumpeln der Felsen nur noch eine Erinnerung, und die schwankenden Bäume beruhigten sich. Nicht weit entfernt schrie ein Blauhäher. Sie starrte auf den abgebrochenen Felsen und entdeckte einen schimmernden Spinnenfaden in der frühen Morgenluft davor. Die perfekte Zerbrechlichkeit der Spinnenseide bildete einen schockierenden Kontrast zu der rohen Zerstörung dahinter. Der Faden glänzte in der Sonne blutrot, um dann unsichtbar zu werden, als er gegen den Felsen fiel, der die Höhlenöffnung nun verbarg. Bald schon landete ein zweiter Faden, dann ein dritter.
Lilly wandte sich ab. Sie hielt ihr Hemd in der Hand. Wie betäubt starrte sie es an. Dann zog sie es langsam, mit schmerzenden Armen, wieder an, wandte dem Wald den Rücken zu und sah in die Sonne. Ihre Kinder warteten. Ihre Mutter würde sich Sorgen machen.
Blinzelnd bahnte Lilly sich ihren Weg über die offene Wiese. Vor ihr erhob sich die Sonne wie eine Göttin über den Horizont, mächtig, gleichgültig und blutrot.
5
Kein Bach plätscherte über die Steine, als Lilly aus dem Wald trat und an der Scheune vorbei zum Haus ging. Feuchte Steine glitzerten in der hellen Sonne, und die Brücke überspannte ein leeres Bett. Das Wasser war verschwunden.
Ihre Mutter war nicht mehr im Hühnerstall gewesen, als sie hineingesehen hatte, und durch die Küchenfenster drang das Klirren von Besteck und fröhliches, hohes Kindergeplapper. Deprimiert und betäubt erklomm Lilly müde die Verandastufen und zögerte kurz, bevor sie die Küche betrat. Der Duft nach frischen Brötchen und Eiern drang durch die Fliegentür und sorgte dafür, dass ihr Magen sich verkrampfte.
Pepper jaulte hinter der Fliegentür, und ihre Mutter sah von der Arbeitsfläche auf. Sie hielt einen feuchten Lappen in der Hand und trug eine Schürze. Ihre Haare waren ungewöhn lich unordentlich, und sie warf Lilly verständlicherweise einen wütenden Blick zu. Der Küchentisch hinter ihr war leer bis auf einen Teller. Lilly zog die Fliegentür auf, reagierte aber nicht, als die Mädchen an der Spüle sich gegenseitig mit Wasser bespritzten. Em stand auf einem Stuhl, doch trotzdem ging ihr die Arbeitsfläche bis fast zur Brust, während die beiden sorgfältig ihre Frühstücksteller abspülten.
»Es tut mir leid«, sagte Lilly und hob den Blick von dem unbenutzten Teller auf dem Tisch. Ihre Mutter ging mit zusammengekniffenen Lippen zu den Mädchen und berührte in einer sanften, schützenden Bewegung ihre Rücken.
»Den Rest mache ich, ihr Süßen. Geht und spielt in der Scheune. Baut eine Burg aus Heuballen oder so. Eure Mutter und ich machen sauber.«
Mit tropfenden Händen und fröhlichem Geschnatter rann ten die Mädchen aus der Küche, riefen kurz »Hi, Mom!« und verschwanden mit wehenden Haaren.
Die Fliegentür fiel zu, und trotzdem stand Lilly einfach nur da, kurz hinter der Tür, die Arme um den Bauch geschlungen. Penn war gefangen, vielleicht sogar zum Tod verdammt, wenn er lange genug keinen Baum erreichte. Warum also fühlte sie sich wie ein kleines Mädchen, das die Keksdose zerbrochen hatte? Er war so wunderschön gewesen, so gefährlich.
»Ich kann nicht glauben, dass du mich in den Hühnerstall gesperrt hast.«
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