Blutseele
Mit abgehackten Bewegungen trat ihre Mutter an die Spüle, um den restlichen Abwasch zu machen.
»Ich habe mich doch schon entschuldigt.« Lilly trat tiefer in den Raum und versuchte, sich die Hände zu waschen, um zu helfen. Doch sie wurde zurückgewiesen. »Ich wollte nicht, dass du dich verletzt.«
»Als wäre es leicht gewesen, durch den Ausstieg zu kriechen? Ich hätte heute Morgen auf Rock Island deine Hilfe gebrauchen können.«
Lilly riss den Kopf hoch. »Wo?«
Ihre Mutter schnaubte und stellte den letzten Teller zum Abtrocknen ins Gestell. »Was glaubst du denn? Ich habe es ganz gut geschafft, aber wir müssen ein oder zwei Gelege schlüpfen lassen. Ich lag die ganze Nacht wach und habe darüber nachgedacht, wie wir Penn fangen können, ohne den Wald niederzubrennen.« Ihr Blick wurde abwesend, als sie über die Felder hinweg ins Leere starrte. »Ich liebe diesen Wald.«
Emily drehte sich um, als das Abwaschwasser durch den Abfluss gurgelte. »Fließendes Wasser hält ihn genauso gut wie Stein, also habe ich ihn in den Baum auf Rock Island gezwungen, und sobald er drin war, habe ich den Wasserlauf des Baches verändert. Nun fließt er wieder wie früher, bevor deine Großeltern ihn hierher umgeleitet haben. Der Damm war sowieso fast durch. Wir haben den Bach verloren, der an unserem Haus vorbeiläuft, aber das ist kein hoher Preis. Selbst während einer Dürreperiode wird Rock Island immer im Wasser stehen.« Ihr Gesicht wurde weich. »Die Mädchen sind in Sicherheit. Wir alle sind in Sicherheit.«
Wen habe ich dann in der Höhle gefangen?
Ihre Mutter sah ihr Entsetzen, ohne es zu verstehen, streckte den Arm aus und berührte sie an der Schulter. »Liebes, es ist in Ordnung. Es ist nicht das erste Mal, dass ich in einem Hühnerstall eingeschlossen war.«
Lilly griff nach dem Tisch, weil sie sich kaum auf den Beinen halten konnte. Kevin. Sie hatte ihn nicht umgebracht, oder? »Du kannst Penn nicht in einen Baum eingeschlossen haben. Ich habe ihn in einer Höhle eingeschlossen«, sagte sie. Ihr war schlecht, und sie ließ sich auf einen Stuhl sinken.
Ihre Mutter drehte sich um, und ihr selbstsicheres Lächeln verblasste. »Was?«
Was, wenn sie sich geirrt hatte? Lilly sah blinzelnd auf. »Er war heute Morgen bei mir. Bei den Höhlen hinter der Nordweide. Ich habe Penn hinter einem Bergsturz gefangen.«
»Das kann nicht sein«, erklärte ihre Mutter mit bleichem Gesicht. »Ich habe ihn auf Rock Island gefangen.«
Lilly starrte auf den Tisch, wo ihre Finger über dem fröhlichen Muster aus roten Äpfeln lagen, das die Tischdecke zierte. Vor Entsetzen konnte sie kaum atmen.
»Lilly …«
Hatte sie aus Versehen Kevin umgebracht? O Gott, was wenn es so war!
Ihre Mutter berührte sie mit einer zitternden Hand an der Schulter. Dann sah die alte Frau durch das Küchenfenster, als ein staubiger Polizeiwagen in den Hof fuhr. »Es ist Aaron«, sagte sie mit unsicherer Stimme.
Kevins Dad? O Gott.
Ihre Mutter drückte warnend Lillys Schulter. »Wir wissen nicht, ob das in der Höhle Penn war. Er könnte entkommen sein, bevor ich Gelegenheit hatte, den Wasserspiegel zu erhöhen. Du hast es richtig gemacht, Lilly. Ich bin stolz auf dich.«
Lilly stand abrupt auf. »Aber es könnte Kevin gewesen sein! Mom, er könnte dort immer noch gefangen sein. Lebend!«
»Was hat Kevin damit zu tun?«
Eine Autotür schlug zu. Lilly schob sich näher an ihre Mutter heran, erfüllt von Panik. »Penn sah aus wie Kevin. Mom, was, wenn er es wirklich war?«
Die Lippen zu einer dünnen Linie zusammengepresst sah ihre Mutter zur Veranda. »Er war es nicht. Still jetzt!«
»Mom!«
»Ich habe gesagt, still jetzt!« Es war nur ein wütendes Zischen. Lilly zuckte zusammen, als ihre Mutter sie gleichzeitig schmerzhaft in die Schulter kniff. »Wie standen die Chancen, dass es mir gelingen würde, ihn ein zweites Mal zu fangen? Ich bin eine alte Frau, und er liebt mich nicht. Penn war bei dir. Penn war es, den du vor Sonnenaufgang gesehen hast. Wenn wir diese Höhle jetzt wieder öffnen, wird Penn entkommen und sich auf Meg und Em stürzen, bevor der Mond aufgeht. Und jetzt hör auf, so schuldig auszusehen!«
Der letzte Satz wurde von einem weiteren Kneifen begleitet, dann ließ ihre Mutter sie los und lächelte einladend, als schwere Schritte auf der Veranda erklangen, gefolgt von einem Klopfen an der Fliegentür.
»Aaron, komm rein!«, flötete ihre Mutter förmlich. Sie wischte sich die Hände an ihrer Schürze ab und ging
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