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Blutseele

Blutseele

Titel: Blutseele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Harrison
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der zu ihm. »Ich bin hier, um Boyd zu besuchen. Er ist schon weg, oder?« Es war keine Frage. Warum sonst sollte Jason hier stehen?
    Und tatsächlich, das Lächeln des Mannes verblasste. Die protestierende Stimme eines kleinen Mädchens, das von sei ner Mutter in das Hochhaus gedrängt wurde, durchschnitt die Luft. Soll sie getestet werden, oder besuchen sie ihren verletzten Vater?
    »Grace, es tut mir leid. Aber ich bin der Einzige, der wusste, dass du ihn ausbrennen lassen wolltest. Du kannst immer noch Mitglied der Elite werden. Erzähl ihnen einfach, du wolltest ihn freigeben.«
    Grace verschränkte die Arme vor dem Körper, sah zum Himmel und blinzelte in die Helligkeit. »Nein.« Sie wollte lieber dort bleiben, wo sie war, als mit Leuten zusammenzuarbeiten, denen sie nicht vertrauen konnte. Sie war sich noch nicht sicher, was sie jetzt tun wollte. Gleichgewicht. Sie war aus dem Gleichgewicht. Boyd war weg. Sie zweifelte an ihrem Job. Irgendwie ergab nichts mehr einen Sinn. Sie stand an einer Kreuzung des Lebens, und sie konnte ihren Weg nicht erkennen, weil alles im Nebel lag.
    »Ist das also dein letztes Wort?«, fragte Jason angespannt. Grace nickte.
    Er seufzte und schien sich zu entspannen, dann sah er auf seine Uhr. »Weißt du, wie spät es genau ist?«, fragte er plötzlich aus dem Nichts heraus.
    Grace biss für einen Moment die Zähne zusammen, dann zwang sie sie auseinander, während sie an den Tag dachte, der sich einsam und ewig vor ihr erstreckte. »Natürlich«, erklärte sie. Sie wusste, dass zumindest ihr Erg-Gleichgewicht perfekt war.
    »Und wie spät ist es nun?«
    Der Eifer in Jasons Stimme brachte sie dazu, den Blick zu senken. Misstrauisch sah sie auf ihr Handgelenk. »Neun Uhr achtundzwanzig.« Die Besuchszeit begann um neun Uhr dreißig. Sie hatte gewusst, dass Boyd heute verlegt wurde, aber sie hatte nicht genau gewusst, wann. Sie hatte gedacht, es wäre klug, möglichst früh zu kommen. Jetzt wirkte es wie ein verzweifelter Versuch, sich an ihrem alten Leben festzuklammern, während ihr der Boden unter den Füßen weggezogen wurde.
    Jasons Augen leuchteten. »Das habe ich auch.« Vorsichtig nahm er Jackett und Kappe an sich, dann schob er einen Arm unter ihren und drehte sie beide zu der großen Glastür um. »Los, wir wollen doch nicht zu spät kommen.«
    Grace ging mit ihm, weil ihr alles egal war. »Zu spät zu was?«
    Er ließ sie gerade lange genug los, um die Tür aufzuschieben. »Das wirst du schon sehen«, meinte er geheimnisvoll.
    Die nach Plastik riechende Luft des Hochhauses umhüllte sie, und der vertraute Geruch riss sie aus ihrer Trübsal. »Jason …«, sagte sie, während sie die Kappe beäugte.
    Immer noch lächelnd drückte er ihr die Kleidung in die Hand. »Halt das mal, ja?«, sagte er, als sie vor den Liften anhielten. Sie beobachtete ihn. Nervosität erfasste sie, als Jason eine Karte durch einen Leser zog und sich mit einem Läuten der Lift öffnete, der nur Führungskräften vorbehalten war.
    »Die oberen Stockwerke?«, fragte sie beunruhigt. »Ich habe Nein gesagt.«
    Doch Jason schob sie in den Aufzug. Nur seine gute Laune sorgte dafür, dass sie fügsam und in Bewegung blieb. »Mach es nicht kaputt«, flehte er, als ihre Turnschuhe in den weichen Teppich einsanken.
    Die Türen schlossen sich. Jason musterte die Knopfreihe, als wäre er damit auch nicht vertraut, dann grunzte er, als er den richtigen Knopf fand und drückte. Der Lift stieg auf. Grace musterte Jason in seiner Paradeuniform. Er war von den Haaren bis zu seinen mit Metall beschlagenen Schuhen perfekt gestylt. Sie leckte sich die Lippen und sah an sich selbst herab – abgetragene Turnschuhe, alte Jacke.
    Summte er?
    Der Druck in ihren Ohren löste sich mit einem Plopp, und die Lifttüren öffneten sich auf einen weiß-silbernen Empfangsbereich. Die Frau hinter dem Schreibtisch sah auf, um den Blick sofort wieder auf ihre Arbeit zu senken. »Warst du je hier oben?«, fragte Jason, als er selbstbewusst aus dem Lift trat. Grace folgte ihm.
    »Einmal.« Ihre Schuhe erzeugten kein Geräusch auf dem gebleichten Holzboden. Die Einrichtung war karg. Alles bestand aus Holz, ohne irgendwelches Metall. Die Luft schien mit Ozon angereichert, das ihre überlasteten Nerven beruhigte. Auf einer Seite zog sich eine durchgehende Fensterfront, doch das Licht, das einfiel, wirkte seltsam grau. Sie befanden sich im obersten Stockwerk des Hochhauses, und Nervosität überschwemmte Grace.
    Jason winkte der

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