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Blutseele

Blutseele

Titel: Blutseele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Harrison
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Weihnachtsgeschenken aus den Läden kamen.
    »Keine Bettler«, flüsterte er.
    »Na ja, ein paar schon«, sagte ich und sah die Straße plötzlich mit vollkommen anderen Augen. »Aber sie sind wahrscheinlich auf dem Platz und machen Party.«
    Pierce hob unsere verschlungenen Finger hoch. Meine waren vor Kälte fast blau. »Ich kann nicht weiterhin durch Euch mit einer Linie kommuni… ähm, durch Euch eine Linie anzapfen«, sagte er leise. »Ich lasse mich nicht leicht ins Bockshorn jagen, doch dieses Kind nur mit meinen Fäusten retten zu wollen, ist vermutlich eine Narretei. Kennt Ihr …« Er zögerte, und sein Blick huschte kurz zu einem vorbeifahrenden Lastwagen, dann wieder zu mir. »Kennt Ihr eine Hexenfrau oder einen Hexenmann, von dem ich Kraftlinienzauber erwerben könnte?«
    »Oh!«, sagte ich fröhlich, entschlossen, mit ihm Schritt zu halten, obwohl meine Brust anfing zu schmerzen. Natürlich würde er etwas brauchen, nachdem er selbst keine Linie anzapfen konnte. »Der Buchladen der Universität hat ein ganzes Stockwerk voller Kraftlinienzeugs. Ich bin mir sicher, dass sie etwas haben.«
    »Magische Studien? In der Universität?«, fragte er. Ich nickte und schwang meinen freien Arm. Aber dann runzelte er die Stirn, beugte sich zu mir und flüsterte: »Mir wäre ein kleinerer Laden lieber, wenn Ihr einen wüsstest. Ich habe nicht mal einen Heller in der Tasche oder eine Karte für Kredit«, fügte er zögernd hinzu, als wäre ihm klar, dass er nicht ganz das richtige Wort gefunden hatte.
    Ich riss die Augen auf. »Ich habe auch nicht viel Geld. Es reicht gerade mal fürs Taxi.«
    Pierce atmete einmal tief durch. »Es ist gleich. Ich werde den Besitzer von meiner verzweifelten Bedürftigkeit überzeugen.« Er hob das Kinn, und in seine Augen trat ein kämpferisches Funkeln, als wir weitergingen. »Ich werde betteln. Wenn sie ehrenhaft sind, werden sie helfen.«
    Betteln, hm?, dachte ich. Ich glaubte ihm vollkommen, dass er vor dem Manager der Universitätsbuchhandlung auf die Knie fallen würde. Nur dass der ihn in hohem Bogen rauswerfen würde, weil er sowieso schon gereizt war, zur Sonnenwende arbeiten zu müssen. »Ich habe eine bessere Idee«, sagte ich und betete, dass meine Mom mitspielen würde. Die gesamten Kraftlinienutensilien meines Dads standen auf dem Speicher. Ich wusste, dass meine Mom nicht gerade glücklich sein würde, aber das Schlimmste, was sie tun konnte, war Nein zu sagen. Ich lenkte uns Richtung Randstein und sah mich nach einem Taxi um. »Ich nehme dich mit nach Hause«, sagte ich und lehnte mich Richtung Straße, damit ein Taxifahrer auf uns aufmerksam würde. »Du kannst dir die alten Kraftliniensachen meines Dads anschauen. Er hat für die I.S. gearbeitet. Da ist wahrscheinlich etwas dabei.«
    Pierce zog mich zurück, und ich blinzelte ihn überrascht an. Er wirkte verbissen, während er im Schneefall und dem Licht der Straßenlaterne vor mir stand und in seinem langen Mantel und seinen glänzenden neuen Stiefeln sehr elegant aussah. »Miss Rachel, nein. Ich bin nicht gesonnen, Euch länger zu gefährden. Ich werde Euch nach Hause geleiten, dann werde ich allein zur Universität gehen. Wenn es dort gebildete Männer gibt, werden sie mir helfen.«
    Ich verzog das Gesicht, als ich mir vorstellte, was Pierce im Moment dort vorfinden würde: halbbetrunkene Studen ten und verschiedene Sonnwendpartys. »Guter Gott, Pierce«, sagte ich in dem Moment, als ein Taxifahrer uns entdeckte und mitten auf der Straße umdrehte. »Ich bin diejenige, die dich mit reingezogen hat. Entspann dich.«
    »Aber …«, sagte er, doch ich drückte nur seine Hand, als das Taxi anhielt.
    »Ich stecke mit drin. Du wirst mich nicht los, also gewöhn dich dran.«
    Pierce erwiderte meinen Händedruck, dann entspannte er sich. »Danke«, sagte er, und an diesem einzelnen Wort erkannte ich, wie verloren er sich fühlte. Er hatte bis Sonnenaufgang Zeit, um sowohl dieses Mädchen als auch seine Seele zu retten, und ich war die Einzige, die ihn durch diesen Albtraum leiten konnte, in dem ich lebte.

6

    Der Taxifahrer fuhr vor dem Haus langsam wieder an, doch das Motorengeräusch wurde durch den Schnee gedämpft. In den Hollows gab es heute Nacht Sonnwendfeuer und Nachbarschaftspartys, aber in meiner Straße war es ruhig. Pierce’ Schritte waren fast lautlos, als wir zur Veranda stapften und dabei Spuren durch den Schnee zogen. Es hatte aufgehört zu schneien, und ich sah durch die kalten schwarzen Äste des

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