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Blutseele

Blutseele

Titel: Blutseele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Harrison
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Wanduhr. Art war unter der Erde, und das Wissen, dass er noch mehrere Stunden nicht auftauchen würde, verschaffte ihr ein gewisses Maß an Frieden. Sie hätte den Bastard gerne gepfählt. Vielleicht wollte Piscary, dass sie das tat?
    Über das Klappern der Tastaturen und den Klatsch hörte sie, wie eine fremde Stimme sanft ihren Namen aussprach. Ivy konzentrierte sich und lauschte, wie jemand eine Wegbeschreibung zu ihrem Büro gab. Sie legte die Träne neben den Becher mit ihren Farbstiften und drehte sich zur Tür um, als sich der Türrahmen verdunkelte.
    Sie wollte Hallo sagen, aber dann zögerte sie, während sie die Frau abschätzte. Sie vergaß sogar, sie hereinzubitten. Ivy hatte noch nie eine Banshee getroffen, und sie fragte sich, ob sie alle ein so verstörendes Auftreten hatten oder ob das nur Mia Harbors Art war.
    Sie trug ein dramatisches Kleid aus himmelblauen Stoffstreifen, das ihr bis auf die Schenkel fiel. Es hätte gewirkt wie aus Fetzen gebastelt, wäre es nicht aus Seide gewesen. Die Ärmel fielen ihr bis über die Finger, und es schmiegte sich perfekt an die schlanke Figur der Frau. Ihr kurzgeschnittenes Haar war schwarz, hing ihr in Zacken in die Stirn und hatte goldene Spitzen. Es stand in absolutem Kontrast zu ihrem bleichen Gesicht und dem fast ländlichen Kleid, während es trotzdem irgendwie perfekt dazu passte. Eine dunkle Sonnenbrille verbarg ihre Augen. Sie war klein, zierlich und alterslos attraktiv und gab Ivy das Gefühl, groß und unbeholfen zu sein. In ihrem fein geschnittenen Gesicht stand erst ein fragender Ausdruck, dann müde Akzeptanz.
    Ivy ging auf, dass sie starrte. Sofort stand sie auf und streckte die Hand aus. »Ms. Harbor«, sagte sie. »Bitte kommen Sie herein. Ich bin Officer Tamwood.«
    Ihre Hand war kühl, voller glatter Stärke, und Ivy ließ sie los, sobald es nach den Regeln der Höflichkeit möglich war. Das Selbstbewusstsein, das sie ausstrahlte, brachte Ivy dazu, sie vom Alter her irgendwo zwischen sechzig und siebzig zu platzieren, aber sie sah aus wie zwanzig. Hexenzauber, fragte sich Ivy, oder natürliche Langlebigkeit?
    »Bitte nennen Sie mich Mia«, sagte die Frau, während Ivy auf Arts Stuhl zeigte.
    »Mia«, wiederholte Ivy und setzte sich wieder hinter ihren Schreibtisch. Sie erwog, der Frau ebenfalls ihren Vornamen zu nennen, tat es dann aber nicht, während Mia sich mit steifer Förmlichkeit setzte.
    Ivy fühlte sich ungewöhnlich unsicher und blätterte durch den Bericht, um ihre Nervosität zu kaschieren. Banshees waren gefährliche Wesen, fähig, genug Energie aus ihren Opfern zu ziehen, um sie damit umzubringen – ein wenig wie psychische Vampire. Sie mussten nicht töten, um zu überleben, weil sie auch von den Emotionen leben konnten, die von den Leuten um sie herum automatisch abgegeben wurden. Aber das hieß nicht, dass sie sich nicht vollfraßen, wenn sie dachten, sie könnten damit durchkommen. Sie hatte noch nie die Chance gehabt, mit einer Banshee zu reden. Sie waren eine aussterbende Art, seit die Öffentlichkeit von dieser unschuldig wirkenden, aber hochgefährlichen Inderlander-Spezies wusste.
    Wie die Schwarze Witwe töteten sie gewöhnlich ihren Partner, nachdem sie empfangen hatten. Ivy ging nicht davon aus, dass es Absicht war; ihre menschlichen Ehemänner verloren einfach ihre Lebenskraft und starben. Es hatte nie viele von ihnen gegeben – jedes geborene Kind war weiblich, und die Magie, die nötig war, um außerhalb der Spezies zu empfangen, machte alles schwieriger.
    »Ich mache Sie nervös«, stellte Mia erfreut fest.
    Ivy schaute kurz zu ihr, dann wieder auf die Papiere. Sie gab es auf, ihre stoische Haltung bewahren zu wollen, und lehnte sich in ihrem Stuhl zurück, die Hände auf dem Schoß.
    »Ich werde keine Emotionen aus Ihnen ziehen, Officer Tamwood«, sagte Mia. »Das muss ich gar nicht. Sie werfen genug nervöse Energie und konfliktschwangere Gedanken in den Raum, dass ich mich eine Woche davon sättigen könnte.«
    Oh, Freude, dachte Ivy säuerlich. Sie war stolz darauf, ihre Gefühle unterdrücken zu können, und dass Mia sie nicht nur fühlte, sondern in sich aufsaugte wie Saft war nicht gerade ein angenehmer Gedanke.
    »Warum bin ich hier?«, fragte Mia. Sie hielt mit ihren fahlen Fingern ihre winzige, mit blauen Perlen besetzte Handtasche auf dem Schoß.
    Ivy sammelte sich. »Ms. Harbor«, sagte sie förmlich und sah, wie Mia das Gesicht verzog, als Ivy sich bemühte, ruhiger zu werden. »Ich möchte Ihnen

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