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Blutsgeschwister

Blutsgeschwister

Titel: Blutsgeschwister Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dia Reeves
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Beweisstücke mitgenommen. Seitdem hab ich sie nicht mehr gesehen. Und sie sind wirklich alt und wertvoll. Daddy liebt all diese superalten Geräte.«
    Daddy hatte diese alten Geräte gerne benutzt, um seine Opfer zu zerstückeln, normalerweise wenn sie noch am Leben waren. Dann hatte er die blutleeren, einzeln verpackten Stücke an zufälligen Orten irgendwo in der Stadt versteckt. Bis Daddy vor Gericht kam, waren zwar alle Opfer ausfindig gemacht, aber nicht all ihre Einzelteile. Da sich Daddy nicht an jedes Versteck erinnern konnte, wurden einige der Opfer ohne Hände oder Zehen oder Hintern beerdigt. Erst letzten Monat hatte ein Kind, das auf der Suche nach hübschen Vogeleiern war, Mrs. Edith Burlesons Unterarm in Fleischpapier gewickelt im Astloch einer Eiche gefunden.
    Anders als bei den anderen Opfern hatte Daddy der Polizei nicht gesagt, wo der Rest von Mr. Turner versteckt war. Danach gefragt, hatte er nur gesagt: »Sie haben Glück, wenigstens den Arm zu haben.«
    Die meisten Leute dachten, dass er Mr. Turner gegessen haben musste und man ihn deshalb nicht fand. Fancy fand dies höchst unwahrscheinlich, auch wenn es sie wurmte, dass sie es nicht als Möglichkeit ausschließen konnte. Daddy war voller Geheimnisse.
    Ilan saß auf der Pritsche und ließ seine Hand über die dünne Matratze gleiten. Vielleicht stellte er sich vor, wie sein Vater dort lag. Vielleicht stellte er es sich zu gut vor, denn er schoss von der Pritsche hoch und wischte seine Hand an der Hose ab. »Hat Guthrie je über diese Nacht gesprochen?«
    »Er hat gesagt, er war’s nicht.« Ilan rieb sich immer noch seine Hand am Bein. Er schien gar nicht zu merken, was er da tat. Fancy hoffte, er würde bald damit aufhören, bevor er sich die ganze Haut wegschrubbte. »Das hat er Madda gesagt, als sie ihn erwischt hat, nach dem Motto: ›Bloß nicht zugeben, dass man gelogen hat!‹»
    Ilan hörte auf zu wischen. »Siehst du das auch so?«
    » Ich kenne gerne die Wahrheit, aber ich lüge Madda dauernd an. Manche Leute kommen mit der Wahrheit nicht klar.«
    Draußen grollte der Donner, und der entfernte Geruch nach Regen strömte durch die offenen Türen in den Keller. »Du gehst besser«, sagte Fancy zu Ilan. »Sommerstürme sind die schlimmsten.«
    »Ja«, stimmte er zu, und dann blieb er einfach stehen.
    »Oder« – Fancy konnte nicht glauben, dass sie das wirklich sagte –, »wir können auch in mein Zimmer.«
    Ilan lächelte sie an, und selbst nach der ganzen Zeit traf es sie wie ein Schlag in die Brust. »Okay.«
    Fancy führte ihn aus dem Keller und über den Hof, an dem tobenden Flattern der Laken vorbei, die sich wie Segel an der Wäscheleine aufblähten, sauber und weiß gegen den dreckig grauen Himmel. Sie ließ ihn auf die Schlafveranda und sah sofort, dass er dort nicht hingehörte. Er passte nicht.
    Ilan war nicht der größte Junge der Welt, aber er wirkte wie ein Riese an dem Teetisch. Seine Knie überragten den Tisch um das Doppelte. Und obwohl Fancy kleiner als Ilan war, war sie ebenfalls ein Riese. Sie hatte es nur noch nie bemerkt. Sie versuchte, es auch weiterhin nicht zu bemerken, während sie den Plattenspieler gewohnheitsmäßig anstellte und die Lautstärke runterdrehte, als »My Baby Shot Me Down« zu spielen begann.
    Madda backte Brot, sie konnte es riechen. Preiselbeerbrot. Daddys Lieblingsbrot. Und auch Kits. Eine Schande, dass keiner von ihnen zu Hause war, um sich daran zu erfreuen.
    »Auf einmal«, sagte Ilan und betrachtete sie genau, »siehst du eher traurig als wütend aus.«
    »Vielleicht hab ich mir die Traurigkeit bei dir eingefangen.«
    »Normalerweise kann ich sie besser verstecken«, sagte er und gab sich keine Mühe zu widersprechen. »Sorry.«
    »Sei traurig, wenn du magst. Mir ist es egal.«
    »Ich weiß«, sagte er traurig.
    Aber Fancy wollte nicht darüber nachdenken, dass sich Ilan schlecht fühlte, nicht, wenn es ihr selbst gerade so ging. »Ich weiß nicht, was ich Madda von Kit erzählen soll.«
    »Kit wird zurückkommen«, sagte Ilan, als könnte er das irgendwie beurteilen. »Ich weiß jedenfalls, dass Gabe es wird. Er muss heute Abend arbeiten.«
    »Sie können den glücklichen Ort nicht verlassen, es sei denn, ich lasse sie. Und ich glaube nicht, dass ich das werde.«
    »Du bist so eine dumme Göre«, sagte er, und seine Verärgerung überwand die Traurigkeit. »Aber es ist kein Wunder, dass du dich so benimmst.« Er glitt von dem pinkfarbenen Pilzhocker und schob ihn weg, um seine Beine

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