Blutskinder
dann und reichte mir die Blumen zurück.
»Für mich?« Mit zitternden Händen nahm ich sie entgegen. Sollte dies tatsächlich …
»Haben Sie Lust, mit mir zu Abend zu essen?«
Und so fing es an.
Ruby hat einen Jungen mitgebracht. Nur schade, dass sie ihn nie wiedersehen wird. Er sieht interessant aus. Während sie ihm ihr neuestes Stück vorspielt, steht er an den Flügel gelehnt da und lauscht ganz verzückt. Robert unterhält sich mit ihnen. Ich hole in der Küche Pizza und Getränke für die beiden. Sie sollen die Sachen mit nach oben nehmen, damit Robert und ich hier unten allein sind. Doch gleich darauf fällt die Haustür ins Schloss. Robert ist weg. Bei dem Gedanken, dass ich ihn vielleicht zum letzten Mal gesehen habe, muss ich krampfhaft schlucken. Ich spüre, wie sich der Panzer, der in den letzten paar Monaten endlich verschwunden war, wieder um meinen Körper legt.
Als Ruby und ihr Freund Art zum Arbeiten in Rubys Zimmer gegangen sind, sammle ich einen Stapel Notenblätter ein und auch eine Hand voll CDs, die Ruby mit Robert aufgenommen hat. Ich weiß, dass sie die niemals zurücklassen würde. Leise, damit sie es nicht hört, hole ich oben aus dem Dielenschrank zwei große Reisetaschen und stelle sie auf mein Bett. Dabei muss ich daran denken, dass es von nun an nicht mehr mein Bett ist. Die Quiltdecke habe ich ausgesucht, genauso wie die passenden Lampenschirme und den Bettvorleger aus Fell, auf den Robert morgens seine Füße stellt. Auch diesen Gedanken schiebe ich rasch beiseite.
Mit Tränen in den Augen stopfe ich die Taschen mit Kleidungsstücken voll. Ich schaffe es, bei jeder Flucht mehr zu retten. Vielleicht muss ich eines Tages sogar einen Möbelwagen bestellen.
Ich raffe meine Toilettenartikel im Badezimmer zusammen, dazu ein paar Kosmetika vom Ankleidetisch und meine Schmuckschatulle. Einige der Schmuckstücke sind wertvoll und lassen sich bestimmt gut verkaufen. Im Kleiderschrank herrscht ein einziges Durcheinander. Viele Sachen sind von den Bügeln gerutscht, aber das ist mir jetzt egal. Ich gehe hoch in mein Arbeitszimmer, hole den Schlüssel unter dem Teppich hervor und nehme die Kassette aus ihrem Geheimfach im Schreibtisch. Wieder im Schlafzimmer stopfe ich Schlüssel und Kassette in eine der Taschen. Die andere ist für Rubys Sachen.
Eine Weile lang sitze ich einfach ruhig auf dem Bett, ohne zu weinen. Dann sage ich Art Bescheid, dass er jetzt gehen muss, und bringe ihn zur Tür. Natürlich ist das Geschrei groß, als ich Ruby erkläre, dass wir wieder einmal fortmüssen.
»Nur für ein paar Tage, wie ein Urlaub«, tröste ich sie, obwohl ich weiß, dass es für immer ist. Sie stampft mit dem Fuß auf und zerrt ihre Kleider ebenso schnell wieder aus der Tasche, wie ich sie hineinlege. »Es geht nicht anders«, sage ich. Plötzlich habe ich eine Idee. »Wir fahren zu Baxter. Den haben wir schon so lange nicht mehr besucht.« Da gibt Ruby nach und lässt mich ihre Sachen packen. Sie soll noch ein paar Dinge dazulegen, an denen sie besonders hängt. Als wir fertig sind, ziehe ich die Haustür hinter mir zu und werfe noch einen letzten Blick auf mein Haus, bevor der Taxifahrer unsere Taschen im Kofferraum verstaut.
»Victoria Station«, sage ich zu ihm.
27
N
achdem sie vergeblich auf dem Standesamt nachgeforscht hatten, verließen Robert und Louisa Northampton wieder. Drei Stunden lang quälten sie sich im Stau auf der M1 in Richtung Süden. Doch immerhin konnten sie sich so in Ruhe unterhalten, und Robert hatte mehr als genug Zeit zum Nachdenken.
»Würdest du Ruhe geben, wenn du ein für alle Mal wüsstest, dass Ruby Erins Tochter ist?« Louisa streckte den Kopf aus dem Fenster um zu sehen, ob es weiter vorn einen Unfall gegeben hatte. »Nichts. Außer massenweise Autos.«
»Dann bliebe nur noch die Tatsache, dass meine Frau eine Prostituierte war.«
»Angenommen, ihr würdet darüber reden, und angenommen, du könntest Verständnis für sie aufbringen, würdest du endlich Ruhe geben, wenn ich dir beweise, dass Erin und Ruby wirklich zusammengehören?«
»Dazu müsste Erin erst mal zurückkommen und …«
»Beantworte einfach meine Frage, Rob.«
»Ja.«
»Gut. Dann brauchen wir einen DNS-Test.« Louisa zog ihr Handy aus der Tasche. Interessiert hörte Robert zu, wie sie mit jemandem sprach, den sie anscheinend ziemlich gut kannte. »Nein, nicht diese Art von Gefallen.« Sie kicherte. Solch ein pubertäres Gehabe hatte Robert noch nie an ihr erlebt. »Ich brauche
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