Blutskinder
zumindest ein Beweis dafür, dass sie sich ohne mein Wissen mit einem Mann traf, oder?«
»Weiß Erin, dass wir beide hier sind?«
»Natürlich nicht.«
Louisa machte eine Handbewegung, als wolle sie sagen: Siehst du? Dann griff sie nach ihrem Glas. »Dann könnte sie doch auch behaupten, du hättest eine Affäre mit mir.«
»Der Unterschied dabei ist, dass wir beide eben keine Affäre haben.« Er verstummte kurz, als ein anderer Gast auf dem Weg zu den Toiletten an ihrem Tisch vorüberging. »Aber was hat das damit zu tun, dass du einen Job für mich übernehmen sollst? Wirst du nun für mich arbeiten oder nicht?« Um sich zu beruhigen, trank Robert einen großen Schluck Wein.
»Wie in alten Zeiten, was?« Louisa lachte. »Aber ich habe das Gefühl, dass es diesmal nicht darum geht, Unterlagen zu finden oder einen Vermissten aufzuspüren.«
Robert hatte ihr noch nichts von seinem Gespräch mit Baxter King erzählt. Er hatte am Telefon nur gesagt, dass er sie brauche und dringend mit ihr reden müsse.
»Doch, in gewisser Weise sollst du eine vermisste Person ausfindig machen. Jemanden, den ich mal kannte. Das dachte ich zumindest«, fügte er hinzu. »Rubys Geburtsurkunde ist nirgends aufzutreiben und …«
»Ja, ich weiß, Robert. Das hast du mir schon erzählt. In diesen Fällen wende ich mich immer an eine Agentur, die landesweit nach solchen Unterlagen forscht, auch wenn man nur wenige Anhaltspunkte hat. Ich nehme an, du hast einfach beim falschen Standesamt nachgefragt. Was gibt es sonst noch für ein Problem?«
»Es geht um Erin.« Er stieß einen tiefen Seufzer aus. »Sie war nicht ehrlich zu mir. Und Rubys neue Schule hat schon ein paar Mal angerufen und nach ihren Anmeldeunterlagen gefragt. Erin hat sich überhaupt noch nicht darum gekümmert.«
»Du hast doch selbst gesagt, dass sie nicht davon begeistert war, Ruby auf diese Schule zu schicken.«
»Doch, anfangs war sie durchaus dafür«, antwortete Robert mit einem kleinen verwunderten Lachen. »Sie war es ursprünglich sogar, die sich die Prospekte schicken ließ und einen Termin mit der Direktorin vereinbart hat. Erst als es um die Formalitäten ging, machte sie auf einmal einen Rückzieher. Und wenn man die Fahrt nach Wien nur erwähnt, ist es so …«
»Als würde man gegen eine Mauer rennen.«
Robert bemerkte, wie Louisas schlichter goldener Ehering im Lampenlicht glänzte. »Genau«, sagte er.
»Die arme Frau hat wahrscheinlich mit ihrem Geschäft und dem Alltag mit ihrer Tochter so viel um die Ohren, dass sie die Formalitäten einfach vergessen hat.«
»Deswegen habe ich ja Tanya gebeten, sich um Rubys Pass zu kümmern. Aber sie kann nichts ausrichten, weil es eben keine Geburtsurkunde gibt.«
»Rob, wenn ich dir diese Urkunde besorge, ist es dann gut? Gibst du dann Ruhe?« Louisa legte ihm die Hand auf die Schulter.
»Gestern um diese Zeit hätte ich noch ja gesagt und mich davon überzeugen lassen, dass Erin die Geburtsurkunde verloren und nie die Zeit gefunden hat, eine neue ausstellen zu lassen. Oder dass sie eine übermäßig besorgte Mutter ist, die Ruby einfach nicht allein nach Wien fahren lassen will. Damit hätte ich umgehen können.« Als Robert nach seinem Weinglas griff, ließ Louisa den Arm sinken. Die Stelle auf seiner Schulter, wo ihre Hand gelegen hatte, fühlte sich auf einmal ganz kalt an. »Aber nach dem, was ich gestern erfahren habe, weiß ich nicht mehr, was ich glauben soll.«
Louisa winkte die Kellnerin herbei und im Handumdrehen stand eine ganze Flasche Wein auf dem Tisch. »Am besten, du erzählst mir alles«, sagte Louisa seufzend, öffnete ihre Ledermappe und nahm einen silbernen Stift heraus.
»Ohne Kommentare? Ohne Unterbrechungen deinerseits?«
Louisa nickte, strich sich das Haar hinter die Ohren und nahm unwillkürlich den Stift zwischen die Lippen.
»Wie ich schon sagte«, begann Robert, »bin ich gestern nach Brighton gefahren. Ich war auf der Suche nach einem Mann namens Baxter King, der sich seit ein paar Jahren mit Erin Briefe und E-Mails schreibt. Das habe ich herausgefunden, als ich in Erins Büro nach einer Kopie von Rubys Geburtsurkunde suchte. Ruby hat mir gezeigt, wo ihre Mutter solche Papiere aufbewahrt. Aber ich fand nicht viel – außer Erins abgelaufenem Reisepass und eben diesen Briefen von Baxter King.
Aus ihnen konnte ich entnehmen, dass er der Inhaber eines Ladens in Brighton namens ›King’s Blumen‹ ist. Die Briefe wirkten an manchen Stellen ziemlich verfänglich. Es
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