Blutskizzen
Nummer, aber er sagte, du hättest sie auch.«
Sie legt einen roten Zettel auf den Schreibtisch, geht. Wählen.
»Goldbeck.«
»Ja, Konstantin Kirchenberg. Tag, Kollege. Du hattest dich heute freundlicherweise auf meinen Anruf gemeldet.«
»Das ist richtig.« Rollendes R. »Du hast gesagt, es geht um den Fall Huber aus 84?«
»Richtig.«
»Ist lang her, gell. Was kann ich da tun?«
»Wir haben hier vor zwei Tagen den damaligen Täter Bernd Michels festgenommen, weil wir glauben, dass er mindestens zwei weitere Taten begangen hat, Opfer auch alte Männer, ziemlich gleiche Begehungsweise, aber unsere Beweislage ist dünn. Wahrscheinlich wird er im Augenblick nach einer Haftbeschwerde frei gelassen. Eines unserer Probleme ist dabei das Motiv, und da hab ich eine Frage. Ihr habt damals eindeutig in Richtung Raubmord ermittelt. War das so eindeutig, oder gab’s irgendwo auch die Idee, es könnte ein sexuelles Motiv eine Rolle gespielt haben?«
Drei kurze Lacher am anderen Ende.
»Ja, interessant, dass du danach fragst. Also, ich hab mir nach dem Anruf zwar nicht die Akten noch einmal angesehen, habe aber den Gustl Ammer angerufen, der war damals auch dabei. Am Tatort selber und auch an der Leiche gab es seinerzeit eigentlich keinen Hinweis auf eine sexuelle Tat, wenn ich das richtig in Erinnerung habe. Aber was das Opfer angeht, das wusste der Gustl noch, da gab es von einer Seite ein Gerücht, der Mann sei homosexuell. Es soll da sogar einen Vorfall bei einem Trainingslager mit einem jungen Sportler gegeben haben. Wir haben aber niemanden ausfindig gemacht, der was Genaues wusste. Bekannt war die Sache mit der Homosexualität nicht. Damals ging man damit noch nicht so frei um, und der Huber war ein sehr angesehener Pädagoge in seinem Ort.«
»Warum steht davon nichts in den Akten?«
»Tja«, tiefer Schnaufer, »das hatte mit unserer damaligen Führung zu tun. Wie gesagt, der Huber war sehr angesehen, hatte einige Ehrenämter, und da es wirklich nur ein Gerücht war, wir hatten keine wirkliche Aussage, war unser damaliger Leiter der Meinung, man solle die so gestrafte Familie nicht noch mehr in Verzweiflung stürzen ohne handfesten Grund.«
»Habt ihr es bei den Vernehmungen thematisiert?«
»Ich weiß es nicht mehr so genau, aber ich glaube, der hat eh nichts gesagt.«
Stimmt, stand jedenfalls so ähnlich in der Akte.
»Danke, Kollege. Das reicht mir bis hierher. Viel Spaß weiterhin beim Forellenzüchten.«
Er lacht, noch ein Grüß Gott, legt auf.
Ein angesehener Sportpädagoge, der seinen knackigen Athleten an die Wäsche geht. Vielleicht hat er das bei Michels ja auch versucht. Vielleicht wollte der das nicht. Oder doch, aber anders, oder weiß der Geier, jedenfalls ist er unser Mann. Haben wir uns fast einlullen lassen. Und unser Oli ist wirklich ein helles Köpfchen. Aber er ist unser Mann, da können alle sagen, was sie wollen.
Wahlwiederholung, viermal klingeln.
»Hallo, hier ist...«
Wegdrücken.
»Im MK-Raum Atze und Ulla, Altenkamp telefoniert hinten am langen Tisch.
»Ulla, ich fahre zur Kirchengemeinde, da erreiche ich telefonisch niemanden. Zu eurer Information: Erstens: Der Kollege Lechleitner aus Weiden hat im Bezug auf die Tat dort einige Merkwürdigkeiten ermittelt, was unseren Freund Michels angeht, und zweitens: Ich habe mit dem Kollegen Goldbeck gesprochen. Der hat vor zwanzig Jahren die erste Tat von Michels bearbeitet. Es gab damals Gerüchte, die ein sexuelles Motiv auch möglich machen. Haben sie aus Pietätsgründen nicht aktenkundig gemacht, weil es nur ein Gerücht war. Das ist alles nichts Handfestes, aber ich verwette meine sekundären Geschlechtsmerkmale darauf, dass Michels unser Täter ist. Wir sollten dringend ein Team zum Gericht schicken, um an ihm dran zu sein. Der hat nämlich blöderweise mitgekriegt, wie ich eben den Namen des Grashoff genannt habe.«
Ulla sieht auf ihre Uhr.
»Die Verhandlung wird jetzt eh schon vorbei sein.«
»Trotzdem. Vielleicht ist alles falscher Alarm, und er fährt nach Hause, aber wenn nicht, wenn er irgendwas ahnt, sehen wir alt aus. Mindestens solange wir nicht genau wissen, was Grashoff uns zu sagen hat, sollten wir ihn noch wie unseren Täter behandeln.«
Sie greift zum Hörer.
Die Zehen kribbeln, langsam kommt das Leben zurück.
13 Uhr 32
Druck gegen die Eingangstür, ist verschlossen. Die Schelle, noch mal, der Summer, na, endlich. Treppe hoch, immer noch der Blumengeruch. Anklopfen, Tür auf. Ein hagerer Typ, braune
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