Blutskizzen
Edda und Altenkamp schreiben.
»Was gibt es denn so Wichtiges?«
»Ich hatte nur eine Idee«, er trommelt weiter, »kann sich auch in Luft auflösen. Mir ist aufgefallen, dass in den Obduktionsberichten die Beschreibung der Haare, die bei Kunz unter den Nägeln gefunden wurden, und der von unserem Opfer in Leverkusen, gleich ist. Getönt mit durchscheinendem Grau. Wir haben uns doch gefragt, woher kriegt man ein Büschel zusammengehörender Haare mit Schaft.«
»Und du meinst, der nimmt die von seinen Opfern?«
»Gleich wissen wir es. Ich dachte, ich hätte den DNA-Bogen in der Akte. Den Ordner habe ich aber in Leverkusen gelassen.«
Telefon. Er macht ein Gesicht wie vor der Bescherung, hebt ab.
»Klöpper.« Pause. »Ja, Dieter. Ich bin schreibbereit.«
Er notiert die Zahlen-Buchstaben-Kolonne, wiederholt noch mal zur Sicherheit, bedankt sich, legt auf. Ulla reicht ihm den Ordner, er fährt mit dem Finger wie ein Erstklässler nacheinander die Reihen entlang, blickt auf.
»Leck mich am Arsch, Blut im Auswurf.«
»Was heißt das?«
Atze schnappt sich die Zettel, vergleicht, schüttelt ungläubig den Kopf.
»Sind wirklich identische Codes, unglaublich. Er hat tatsächlich die Haare vom Leverkusener Opfer an unserer Leiche angebracht.«
Aufgeregtes Durcheinander, Staunen, Unglauben, gleitet langsam rüber in Euphorie. Jawoll, jetzt kriegen wir ihn.
»Wieso kriegt man das denn nicht über’ne Abfrage raus?« Sebastian mit Unverständnis.
»Weil Opfer-DNA nicht gespeichert wird, wozu auch? Außerdem gäbe es da bestimmt rechtliche Probleme.«
»Freut euch nicht zu früh.« Ernst gießt einen Eimer Löschwasser in die Begeisterung. »Das bedeutet nur, dass wir sicher sein können, es bei beiden Delikten mit einem Täter zu tun zu haben. Michels kriegen wir damit auch nicht näher an unser Opfer.«
Ernst hat Recht, ist halt ein kühler Denker. Trotzdem sensationell, was der Dicke da rausgefunden hat.
»Schon richtig, Ernst, aber wir haben dadurch schon ein paar Angriffsflächen mehr.«
»Richtig.« Klöpper steht auf, wirft den Stuhl um. »Darum muss ich auch nach Hause. Ich probiere mal, heute noch einen Zug zu kriegen. Das sind ja ganz neue Perspektiven, können wir morgen bei uns richtig täterorientiert loslegen.« Er rafft seine Ordner zusammen, geht. »Ich komme noch mal rein, bevor ich fahre.« Mit einem Lächeln.
»So, und wir können jetzt mit Sicherheit von zwei Taten ausgehen. Ich werde morgen gleich Oli anrufen. Der wird sich freuen, hat ja richtig was gelernt in der Fremde.«
»Ich versuche ihn mal über Handy zu erreichen, Konni. Ich hab die Nummer.«
Ulla hat Olis Handynummer?
22 Uhr 46
Der Mund brennt, der Wein macht leicht.
»War ganz schön scharf. Hab auch zu viel gegessen.« Im Magen leiser Protest.
Das Weiß ihrer Augen ist im Kerzenlicht noch weißer, das Schwarz noch schwärzer. Aus dem Wohnzimmer hangelt sich leise Kate Bush durch stimmliche Höhen.
»Indische Küche, süß und scharf. Für europäische Gaumen sehr süß und sehr scharf.«
Sie hält das Weinglas vors Gesicht, sieht über den Rand, das Rosa unter ihren Fingernägeln passt zum Wein.
»So wie indische...« Nein, nicht zu frech werden, ist noch zu früh.
»… wie indische Frauen«, sie lacht hell, »ja, ja.«
»Stimmt nicht, das wollte ich gar nicht sagen.« Wieder ein Zwacken im Magen.
»Was denn dann? So wie indische Elefanten? Außerdem bin ich ja auch nur zur Hälfte Inderin.« Sie schiebt mit der Rechten eine Strähne hinters Ohr.
»Na ja, süß kommt schon hin. Wenn ich’ne europäische Frau wäre, da könnte man schon neidisch werden. Ihr seid vom lieben Gott oder Allah oder, wie heißt der in Indien? Krishna oder Shiva oder so? Jedenfalls seid ihr von irgendwem ziemlich gut bedacht worden. Vielleicht sogar von allen.«
»Wieso?«
Ah, jetzt will sie es auch wirklich hören.
»Alles halt. Ihr habt Haare, an die man die Welt hängen könnte, und eure Augen sehen immer so aus, als hättet ihr schon’ne Stunde bei der Kosmetikerin verbracht.«
Sie lächelt ein Danke, lehnt sich zurück. Sagt aber nichts. Sie schaukelt den Wein im Glas, betrachtet ihn, dann ein ganz langer, ganz warmer Blick.
Im Bauch arbeitet eine Mischmaschine, wieder ein Zwacken, etwas heftiger. Die Musik hat aufgehört.
»Ich mach mal neue Musik.«
»Wir können uns ja rübersetzen, ist bequemer.« Sie nimmt beide Weingläser, kommt mit.
»Möchtest du was Bestimmtes hören?«
»Mach irgendwas. Das gerade war doch
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