Blutskizzen
verschwindet wieder ins Dunkel.
Vermerk
Am heutigen Tag wurde im Rahmen der Unterstützung des hiesigen KK 11, der »MK Weidengrund«, zwischen 02.00 und 03.00 Uhr mit den Fahrzeugen 13/22 und 13/26 und den Kollegen Lehmann und Benner aus der MK eine Aktion auf dem Parkplatz des gleichnamigen Restaurants durchgeführt.
Der Zeitpunkt war gewählt worden, weil es nach Zeugenaussagen möglich erschien, dass die Leiche des Opfers in der Nacht zum 23. 11. in dieser Zeit dort abgelegt worden war. Leichenfundort war der gleichnamige Rastplatz, der etwa 500 m in westlicher Richtung vom Anhaltepunkt entfernt liegt.
Dabei wurden in beide Richtungen alle Kfz angehalten, um den jeweiligen Insassen ein Informationsblatt mit Fragen zum Tat- bzw. Ablagegeschehen auszuhändigen.
Grimm, PHK
Die Mücke kommt zurück.
Das Handy. Ach, Bruno, jetzt nicht. Ist nicht Bruno, unbekannte Nummer.
»Kirchenberg.«
»Tag, Herr Kirchenberg. Hier ist Georg Siele. Sie erinnern sich vielleicht, der Bruder...«
»Natürlich erinnere ich mich, Herr Siele.« Klingt nicht gut.
»Ich weiß nicht, ob es richtig ist, dass ich Sie anrufe, Herr Kirchenberg, aber Sie hatten mir Ihre Karte dagelassen und ja auch darum gebeten.«
»Natürlich ist das richtig, Herr Siele. Ich habe ausdrücklich darum gebeten.«
»Also, wenn Sie meinen Bruder noch einmal sehen möchten.« Er macht eine Pause. »Ich habe das Gefühl, viel Zeit zum Verabschieden haben wir nicht mehr.«
»Mein Gott. Ja, danke. Ich komme so schnell ich kann.«
Ausgerechnet jetzt. Vielleicht morgen, nach der Vorführung? Dann drängt es nicht mehr so. Scheiße, Scheiße. Ne, das hörte sich nicht gut an. Zu spät ist zu spät.
Im MK-Raum nur Ulla und Altenkamp.
»Ulla, ich bin für’ne Stunde weg. Was sehr dringendes Privates, ist wirklich unaufschiebbar.«
»Klar, Konni, kein Problem.«
»Ich bin über Handy erreichbar. Und Heinz. Ich brauche nachher dringend noch mal dein Gesöff.«
Er nickt wortlos.
Am Ende des Flurs leert eine Putzfrau einen Abfalleimer aus.
19 Uhr 00
Vor dem Haus steht ein Wagen vom Pflegedienst. Das Gartentor ist immer noch kaputt, natürlich. Elf Schritte vom Tor zur Treppe, fünf Stufen, hinter dem Milchglas Stimmen und Bewegung. Die Tür geht auf.
»Ich komme nachher noch mal vorbei und sehe nach ihm.« Ein smarter Dunkelhaariger drängt sich vorbei, ein Blick, kein Gruß. Dahinter das Gesicht des Bruders, schmal, abgekämpft, mit ehrlicher Freude und traurigen Augen.
»Wie schön, dass Sie es noch geschafft haben.« Heißer Spruch, ist ihm wahrscheinlich gar nicht aufgefallen. »Das war der Arzt. Mein Bruder muss jetzt öfter eingestellt werden.« Er schließt die Tür, im Wohnzimmer brennt Licht. »Nein, er ist nicht mehr im Sessel, kommen Sie hier entlang.«
Er geht vor, öffnet eine Tür. Siele liegt mit geschlossenen Augen im Bett, die Hände links und rechts vom Körper. Ein dünner, klarer Schlauch liegt auf seiner Oberlippe, zwei Enden führen in die Nase. Auf der anderen Seite vom Bett noch ein Gerät, noch ein Schlauch, diesmal in den Handrücken. Werden Schmerzmittel sein.
»Setzen Sie sich einen Augenblick. Ich denke, er wird gleich bemerken, dass Sie da sind. So ein Arztbesuch strengt ihn immer etwas an.« Er schiebt einen Stuhl an die Bettseite, geht hinaus.
Die Geräte machen leise pumpende Geräusche, die Brust hebt sich gleichmäßig in einem anderen Takt. Seine Hand fühlt sich warm an, er schlägt die Augen auf. Ganz sacht, als müsse sich jeder Muskel nacheinander die Kraft dazu holen, ein Lächeln. Nur kurz.
»Ich habe mir gewünscht, dass wir uns noch einmal sehen.«
»Ich hatte es doch versprochen.«
»Ja...«, sanfter Druck seiner Finger, »ja.« Er lässt wieder eine Zeit verstreichen, seine Stimme hat viel von ihrer Kraft verloren. Sein langer Blick ist noch fest, die Augen sind grau. Vorher gar nicht aufgefallen.
»Glauben Sie an Zufälle, Konstantin? Sie erlauben doch, dass ich Sie so nenne?«
»Ich würde mich freuen, wenn Sie mich so nennen würden. Ob ich an Zufälle glaube, tja. Wissen Sie, manchmal fällt es mir schon schwer, hinter den Dingen eine Ursache, einen Grund oder vielleicht sogar einen Sinn zu sehen.«
Er versucht zu nicken, es wird nur ein Augenaufschlag daraus.
»Ich glaube nicht daran. Ich glaube deshalb auch nicht, dass es ein Zufall ist, Sie noch einmal getroffen zu haben nach so langer Zeit.«
»Warum nicht?«
»Ich habe Sie immer bewundert, wirklich. Wie man angesichts der Welt, in die
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