Blutspur des Todes
angelegt hatte, weil er seine Eier nicht so bekommen hatte, wie er sie haben wollte.
Melanie warf ihrem Sohn einen Blick zu, um zu sehen, ob er die Frau ebenfalls erkannt hatte. Bisher schien Charlie die albtraumhaften Ereignisse der letzten Stunden weggesteckt zu haben, als ginge ihn das alles nichts an. Doch jetzt hockte er mit dem Rücken am Kopfteil des Bettes, hatte die Knie an die Brust gezogen und wiegte sich wie apathisch vor und zurück.
Noch ehe sie ihn fragen konnte, was los mit ihm sei, schrie er sie plötzlich an: »Mach das aus! Mach das verdammt noch mal aus!«
56. Kapitel
22.15 Uhr
Omaha
Max Kramer saß in seinem Arbeitszimmer, dem einzigen Raum in ihrem verdammten Haus, den er nach seinen eigenen Vorstellungen hatte einrichten können, nippte an einem von Lucilles teuren Weinen und starrte in die Dunkelheit hinaus.
Sie hasste es, wenn er es wagte, eine der Flaschen, die sie für ihre steifen, langweiligen Dinnerpartys hortete, zu öffnen.
Seine Wahl war heute auf einen Beaujolais gefallen, den ein gewisser Alain Jugenet importiert hatte, wie er dem Etikett entnehmen konnte. Er stammte von einem kleinen Gut, das seinen Wein noch auf die gute alte Art herstellte und bis zur Abfüllung angeblich zehn Monate lang in Fässern lagerte.
Im Gegensatz zu seiner Frau wusste er kaum etwas über Wein, allerdings erinnerte er sich, dass jemand einmal geschrieben hatte, der Beaujolais sei der einzige Weißwein, der rot sei. Das hatte ihm gefallen, denn es hieß, dass der Wein anders war, als er zu sein vorgab – genau wie er. Er hielt das Glas gegen das Licht, ließ den Inhalt kreisen und fragte sich schmunzelnd, wie viel diese Flasche seine Frau wohl gekostet hatte.
Sein Handy klingelte. Er blickte zur Standuhr in der Ecke.
Wer hatte ihm denn um diese Zeit noch etwas zu erzählen?
Die Nummer des Anrufers kannte er jedenfalls nicht. Er überlegte, ob er es klingeln lassen und hinterher seine Mailbox abhören solle, doch schließlich trank er noch einen Schluck und nahm den dummen Anruf doch entgegen.
»Hier ist Max Kramer.«
»Sind Sie allein?«
Obwohl er die Stimme erkannte, wollte er ganz sicher sein.
»Wer spricht da?«
»Scheiße! Was glauben Sie wohl, wer hier spricht? Können Sie reden? Ist jemand bei Ihnen?«
»Ich bin allein. Sprechen Sie.«
»Wir brauchen neue Ausweise. Am besten Führerscheine.«
Jared Barnett erteilte schon wieder Anweisungen. »Und Bargeld, aber nur kleine Scheine. Etwa fünfundzwanzigtausend Dollar.«
»Moment mal. Woher soll ich denn drei neue Ausweise nehmen? Und fünfundzwanzigtausend Dollar?« Am liebsten hätte er das Handy vor Wut gegen die Wand geworfen. Wie zum Henker hatte sich die Situation derart ins Gegenteil verkehren können? Begriff dieser Barnett denn nicht, dass er
ihm
etwas schuldete und nicht umgekehrt?
»Sie sind doch ein cleverer Typ, Max. Lassen Sie sich was einfallen.«
»Ich denke, Sie sollten sich stellen.«
»Sind Sie verrückt geworden? Was ist los mit Ihnen?«
»Nein, hören Sie zu. Ich kann Sie wieder rausholen.« Max stand auf und blickte durch sein Spiegelbild auf der Fensterscheibe hindurch auf den vollen, orangeroten Mond.
»Ich habe es einmal geschafft, ich schaffe es wieder.«
»Schön und gut, aber ich sitze doch nicht wieder fünf beschissene Jahre im Knast ab, bis Sie es endlich geschafft haben. Außerdem glaube ich, Sie sind sauer. Sie klingen jedenfalls sauer. Wie kann ich einem verdammten Anwalt vertrauen, der sauer auf mich ist?«
»Ich war nur überrascht, sonst nichts.« Max blieb ruhig.
Dieser miese Bastard konnte ihm alles versauen. Er musste ihn überzeugen, dass er auf seiner Seite war. »Sie können mir meine Überraschung doch nicht verübeln. Ich habe nicht erwartet, dass alles so entsetzlich schief läuft. Das ist alles.
Was zum Teufel ist da bloß passiert?«
Barnett schwieg, und einige Sekunden dachte Max, die Verbindung sei abgebrochen.
»Wie schnell können Sie die Ausweise und das Geld besorgen?«
»Wie soll ich Ihnen denn beides zukommen lassen?«
»Machen Sie sich darum keinen Kopf. Besorgen Sie alles.
Ich rufe morgen wieder an.«
»Wenn Sie mir sagen …« Da hörte er es klicken.
Max blieb am Fenster stehen und fragte sich, wie er aus dieser Klemme wieder herauskam. Er hatte Jared Barnett als Ausgleich für sein Anwaltshonorar lediglich um einen kleinen Gefallen gebeten. Wer hätte denn ahnen können, dass er ein solches Chaos anrichtete?
57. Kapitel
22.32 Uhr
Comfort Inn, Hastings,
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