Blutspur
Seiten. Meine Stimme hallte von den Wänden wider.
Angestrengt lauschte ich, wo sich Brandon befinden könnte, aber ich vernahm absolut nichts. Erschrocken kreischte ich auf, als er mich von hinten umarmte und mir spielerisch in den Hals biss. Die beiden Wächter traten alarmiert ein, doch Brandon schickte sie mit einer Kopfbewegung gleich wieder hinaus.
„ Deine Sinne sind doch noch nicht so geschärft“, raunte er mir zu.
„ Warte auf meinen Geburtstag“, lachte ich.
Er löste sich von mir. „Ich lasse mich überraschen.“
„ Das war einfach wow“, sagte ich. „Was ist das für ein Gefühl, wenn du das tust?“
„ Man kann es kaum beschreiben … ich fühle mich schwerelos und frei. Mein Körper ist auf einer ganz anderen Ebene, das kann man nicht so einfach beschreiben.“
„ Ein geiles Gefühl also?“
Brandon grinste. „So kannst du es nennen.“
Trotz der positiven Phasen, die mir immer wieder Ablenkung brachten, geriet ich oft ins Grübeln. Nicht nur meine bevorstehende Wandlung, sondern auch ein herannahender Krieg beschäftigte mich.
„ Meinst du, dass sie uns wirklich angreifen und somit auch die Menschen in den Krieg mit hineinziehen?“
Brandon hielt kurz inne. Er war dabei, die Schwerter zu ordnen und sah mich eindringlich an.
„ Sie haben schon jetzt nichts mehr zu verlieren, deswegen sollten wir gegen alles gewappnet sein.“
„ Ich habe die Sache mit Sebastian mitbekommen“, sagte ich leise. „Er hat es bestimmt nicht gern getan, sondern weil der Rat es von ihm verlangt hat.“
„ Du meinst, weil mir Sebastian einen Sender verpasst hat? Er hatte keine andere Wahl, sagte er, aber all das nagt an mir. Der Schwarzmarkt ist durch mich aufgeflogen. Alle sind eingebuchtet und werden vor Gericht gestellt. Ich stehe als Verräter da und kann das alles nicht einmal entkräften. Niemand glaubt mir mehr, und ich kann es sogar verstehen.“
Ich hörte die Bitterkeit aus seinen Worten. Ich würde genau so enttäuscht sein, wenn mir das Mary angetan hätte. Das wusste ich. Aber wie sollte ich ihn aufbauen? Dieser Ratsposten wog sicher schwer, und manchmal tat man etwas, das man niemals hätte tun dürfen, doch man hatte keine Wahl. Trotzdem glaubte ich oft, dass man trotzdem eine hatte. Nur die Entscheidung, die man fällte, würde darüber entscheiden, ob sie gut oder schlecht war und auch für wen.
„ Es wird sich aufklären, ganz bestimmt“, versuchte ich ihn zu ermuntern.
Ich nahm seine Hand und verschränkte meine Finger mit den seinen. Dankbar lächelte er mich an.
„Kannst du mir etwas zu meinen Eltern erzählen? Ich meine Lana und John“, flüsterte ich Brandon zu, während wir mit dem Rat an einer langen Tafel saßen und auf das Essen warteten.
Es waren nur noch vier Tage, 96 Stunden bis zu meinem Geburtstag, den ich noch nie so sehr herbeigesehnt und so unglaublich gefürchtet hatte.
Ich übte jeden Tag mit Brandon, lernte, wie man ein Messer richtig einsetzte, wie ich ein Schwert zu halten hatte, wie man Kugeln abfeuerte und möglichst genau das Ziel traf. Auch wenn ich es nie für möglich gehalten hatte, ich wurde immer besser. Ein paar Mal entwaffnete ich ihn sogar und er lenkte mich zwischendurch mit zarten Küssen und seiner nervigen Lobhudelei ab.
„ Ja, Prinzessin, gib's mir! Das hast du echt drauf! Zeig mir deine Zähne!“
Am liebsten hätte ich ihm einen Kinnhaken verpasst. Er tat das alles nur, um meine Fähigkeiten aus mir herauszukitzeln, das wusste ich zu gut. Trotzdem gingen mir seine Sprüche allmählich auf den Zeiger.
„ Darius kann dir viel mehr berichten und zeigen“, sagte Brandon etwas lauter, als mir lieb war. „Frag ihn doch nachher einfach danach.“
Ich fing Darius' argwöhnischen Blick auf, als er seinen Namen hörte. Ich sah Brandon grimmig an.
„ Noch lauter, wenn es geht“, zischte ich ärgerlich.
„ Würdest du uns verraten, worum es geht, Virginia?“
Rafael hob sein Weinglas an die Lippen und trank einen Schluck.
Der Tisch war festlich gedeckt; beinahe jeden Abend hatten wir nun so vornehm gespeist. Es gab frischen Lachs, gegrillten Seebarsch, neue Kartoffeln und Desserts, die frisch mit Sahne und Obst zubereitet waren. Mich überkam bald wieder ein guter Appetit, auch wenn ich meine Gedankenspielereien nie komplett ausschalten konnte. Wie denn auch. Trotzdem freute ich mich, dass sich alle so um mich kümmerten und für jegliche
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