Blutspur
der Doktor versammelten sich um mich. Ich war wie betäubt, bündelte meine Energie, wollte sie ausstoßen, sie meine Venen fluten lassen, da hatten sie mich schon mit unbezähmbarer Kraft auf den Boden gedrückt und hielten mich fest. Der Doktor tippte mit dem Finger an die Spritze, ließ ein wenig von dem Serum von der Spitze tropfen und näherte sich mir langsam.
„ Das ist meine Gabe“, sagte Pierre, „ich kann, wenn ich mich genau konzentriere, Bewegungsunfähigkeit hervorrufen. Und nun wehre dich nicht mehr, wir wollen dir nur helfen.“
Die beiden Laborangestellten waren verschwunden. Ungefähr ein Dutzend Wächter betraten den Raum, schwere Waffen im Anschlag. Ich war geliefert.
Brandon trat in mein Blickfeld. „Wartet! Ich habe eine Idee.“
Die Vampire hielten inne. Sebastian wurde von den Wächtern in Ketten gelegt und hinaus gebracht.
Was für eine Flasche!
Brandon musste leichtes Spiel mit ihm gehabt haben; er hatte keinen Kratzer.
„ Ich denke, ich weiß, was Frederick mit der Umgehung der Gaben gemeint hat, sodass sich der Dunkle in Rauch verwandeln konnte.“ Er fixierte mich. „Ich muss sie beißen.“
„ Was?“, riefen Rafael und Darius wie aus einem Mund.
„ Noch nie habe ich davon gehört, dass dadurch, dass ein Dunkler einen Reinen gebissen hat oder umgekehrt, sich dieser verwandelt hat. Es wurde in der ganzen Zeit nie etwas Derartiges erzählt. Vielleicht ist das des Rätsels Lösung, und die Dunklen haben es durch Zufall entdeckt oder sie beeinflussten es. Irgendwie. Einen Versuch ist es wert.“ Brandon schaute abwartend in die Runde.
„ Fass mich nicht an!“, fauchte ich ihn an und wand mich vergebens unter den Klammergriffen.
„ Mach es“, entschied Rafael, bog meinen Hals mit einer Handbewegung zurück und umschloss ihn mit seinen Fingern.
Aus den Augenwinkeln erschien Brandons Gesicht, das sich bedächtig nahe meinem Hals näherte. Ich schrie aus Leibeskräften, wollte mich befreien, doch alles Gezeter half nichts. Seine spitzen Zähne bohrten sich in mein weiches Fleisch. Der Schmerz war aushaltbar, nur der Zorn, der in mir brodelte, wollte ihn am liebsten auffressen. Ich roch mein eigenes Blut, mir wurde übel, das Labor verschwamm unter meinem milchigen Blick. Da hörte Brandon auf. Sein Mund war blutverschmiert, er wischte sich über die Lippen. Er sah ängstlich aus, so, als würde er fürchten, einen Teil seiner Selbst zu verlieren oder dass er etwas so Gravierendes getan hatte, dass keine Wiedergutmachung möglich war. Meine Lider flackerten, kämpften gegen die drohende Dunkelheit. Vergebens.
9. Es fängt an
Ruckartig setzte ich mich auf. Nur einen Moment brauchte ich, um mich zu orientieren. Ich war immer noch im Labor, die Szene um mich herum schien sich nicht verändert zu haben. Auch die Vampire waren noch da, nur, dass sie mich nicht mehr festhielten, sondern nervös zu mir herunter blickten. Die Wächter zielten mit ihren Gewehren auf mich, bereit, bei einer falschen Bewegung, sofort loszuballern. Ich drehte den Kopf und zuckte zusammen. Um mein Hals war ein Verband geschlungen, weich und nicht zu eng. Stockend kam die Erinnerung wieder, Seifenblasen mit Bildern flirrten durch mein Gedächtnis, manche zerplatzten, während ich versuchte, die Bilder zu deuten. Immer wieder erkannte ich ein Stück und dafür verschwand ein anderes. Ich strengte mich an, schloss die Augen … und dann überfuhr mich das Geschehen wie ein Güterzug.
Die Verwandlung in eine Dunkle, Sebastians Eingeständnis, dass er der Abtrünnige war, Brandons Biss … meine schattenhafte, schaurige Seite, die Blut schmecken wollte … der Widerstreit meiner Gefühle … Brandons Angst … und nun?
„ Hat es geklappt?“, fragte ich leise.
Ich kannte schon die Antwort, lauschte in mich, fühlte absolut nichts, was mich reizte oder aufbrachte. Da war nur Stille, die mich besänftigte und mir zuflüsterte, dass ich keine Dunkle mehr war. Und noch etwas ging in mir vor. Da war ein enormer Drang, etwas auszuprobieren.
„ Manifestiere deine Stärke“, wies mich Rafael an.
Ich stand behände auf, suchte das Gleichgewicht und wusste, was ich zu tun hatte. Es war so, als hätte ich es schon immer gewusst. Mit geballten Fäusten sog ich die kühle Laborluft in meine Lungen, ließ mein Blut durch den Körper
Weitere Kostenlose Bücher