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Blutspuren

Blutspuren

Titel: Blutspuren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Girod
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beseitigen. Zwischendurch eilte er zum Küchenherd, um Stück für Stück der Bekleidung, den Inhalt des Schulranzens und schließlich den Ranzen selbst zu verbrennen. Die Herdplatten glühten. Unaufhaltsam produzierten Angst, Anstrengungen und die unerträgliche Hitze in der Küche dicke Schweißperlen auf Lischkas Stirn. Immer wieder trocknete er das nasse Gesicht mit dem Unterhemd. Dann kam ihm der Gedanke, das Gesicht des toten Mädchens zu zerstören. Er glaubte, auf diese Weise eine Wiedererkennung zu vereiteln. So füllte er einen großen Kessel, der gewöhnlich zum Kochen seiner Wäsche diente, mit Wasser und setzte ihn auf den Küchenherd. Er trennte den Kopf von der Leiche und kochte ihn. In der Zwischenzeit umhüllte er den Torso mit Textilien, legte sein schweißnasses Unterhemd dazu, verschnürte das Ganze mit Packpapier und Draht zu einem festen Paket, das er in einem Koffer verstaute.
    Kurz nach 11.00 Uhr beendete er den Kochvorgang, goß einen Teil der »Brühe« in das Toilettenbecken. Beim Anblick des Kopfes, von dem sich inzwischen alle Weichteile gelöst hatten, packte ihn für einen Augenblick das Entsetzen. Doch unbeirrt verfolgte er weiter seinen Plan. Er atmete erst durch, als der in Folie und Papier eingewickelte Kopf in einem Einkaufsbeutel verschwunden war. Nun leerte er den Aschekasten des Küchenherds in einer der Mülltonnen auf dem Hof. Als der Mörder die restliche Brühe mit dem abgelösten Haut- und Muskelgewebe beseitigen wollte, durchfuhr ihn ein neuer Schreck: Erst jetzt bemerkte er, daß sich durch den langen Kochvorgang der Unterkiefer vom Schädel gelöst hatte. Ohne große Überlegung warf er ihn auf die noch vorhandene Glut im Küchenofen und hoffte, daß er dort sicher verbrennen würde.
    Bevor Gerhard Lischka gegen 12.00 Uhr ruhig und gefaßt das Haus verließ, vergewisserte er sich, ganze Arbeit geleistet und alle Spuren beseitigt zu haben. Er war zufrieden, auch wenn die Ereignisse der letzten Stunden ihn ziemlich zermürbt hatten. Nur ein Koffer und zwei prall gefüllte Beutel blieben zurück. Dieses Gepäck mit dem abscheulichen Inhalt wollte er nach Rückkehr von der Spätschicht beseitigen.
    Im Betrieb verhielt er sich unauffällig, fleißig, schweigsam und freundlich, wie sonst auch. Als er nach Schichtschluß gegen 22.00 Uhr heimkehrte, nahm er ohne zu zögern den Koffer und die beiden Beutel, fuhr mit der S-Bahn bis Buch und lief bis zum Ortsausgang in Richtung des »Dr.-Heim-Krankenhauses«. Dort, wo der Wald am dichtesten ist, versteckte er die Relikte seiner Untat. Dann fuhr er nach Hause zurück und schlief erschöpft tief und lange.
    Den Vormittag des 29. März nutzte Lischka, um nochmals den Fußboden seiner Wohnung gründlich aufzuwischen. Die Gefaßtheit des gestrigen Tages war einer hochgradigen Nervosität gewichen, das schreckliche Geschehen wühlte ihn innerlich immer wieder auf. Angstbilder marterten seine Seele. Aber weniger der Mord, das Mitleid mit dem getöteten Mädchen oder ein Reuegefühl erschütterten sein Innenleben. Einzig und allein die Ungewißheit, entweder bald verhaftet zu werden oder unbeschadet davonzukommen, belastete ihn. Nur sie hielt das Gedankenkarussell in unaufhörlicher Bewegung.
    Als er spät abends müde und von Angst erfüllt ins Bett sank, fiel ihm plötzlich ein, den Feuerrost im Küchenherd nicht gereinigt zu haben. Die Asche des verbrannten Unterkiefers könnte sonst sein Verhängnis werden. Doch zu seinem großen Entsetzen waren Knochen und Zähne nicht verbrannt, hatten ihre Form kaum verändert. Vorsichtig fingerte er den Kiefer aus der Asche. Jedoch: Der Knochen hatte durch die Hitzeeinwirkung seine ursprüngliche Festigkeit verloren. Deshalb gelang es ihm, ihn mehrmals zu zerbrechen. Die Bruchstücke wickelte er in einen alten Putzlappen. Doch eine innere Lähmung hinderte ihn daran, sich noch einmal zu den Mülltonnen im Hof zu wagen. So verstaute er das Päckchen in seinem Anorak. Als er sich am nächsten Tag zu Schichtbeginn umkleidete, legte er es in seinem Spind ab, glaubte, auf diese Weise das belastende Beweisstück unter Kontrolle zu haben. Er plante, es nach Arbeitsschluß im Schutze der Dunkelheit unauffindbar verschwinden zu lassen. Doch Hauptmann Kroll vereitelte mit einer schlichten Routinebefragung die Realisierung dieses Plans.
    Lischkas Geständnisbereitschaft und Kooperation begünstigen einen schnellen Verfahrensverlauf. Der Kriminaltechniker Wischnewski sichert in der Wohnung des Mörders

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