Blutspuren
Umgang mit den Kindern. Enttäuscht winkt er ab und zieht von dannen. Wieder greift er demonstrativ zum Messer und verletzt sein linkes Handgelenk erheblich. Ärztliche Hilfe ist erforderlich. Henry wird, wie in solchen Fällen üblich, wegen akuter Selbstmordgefährdung in die psychiatrische Abteilung des St.-Joseph-Krankenhauses überwiesen. Zwei Wochen lang wird er dort betreut. »Demonstrativer Suizidversuch« heißt es später in seiner Krankenakte, in der auch steht, daß er »eine leicht erregbare, unbeherrschte, explosive psychopathische Persönlichkeit« sei.
Wochen vergehen. Diesmal haben die Ereignisse Karin Stutzbach mitleidig gestimmt und für eine vorsichtige Annäherung des Ehemanns bereit gemacht. Sie wagt einen letzten Versuch ehelicher Gemeinschaft. Nach wie vor muß Henry aber bei seiner Mutter wohnen. Zunächst fügt er sich artig in sein Schicksal, umgarnt Karin, so gut er es vermag, und ist fast drei Monate lang lammfromm. Nur die Kinder sind ihm nach wie vor gleichgültig. Dann brechen die alten Übel wieder durch: Bereits die geringsten Meinungsverschiedenheiten versetzen ihn in Wut und Raserei. Zunächst kann er sich noch halbwegs zurückhalten, droht Karin nur Prügel an. Bald schlägt er erneut auf sie ein.
Als er sie eines Tages so erheblich verletzt hat, daß sie zum Arzt gehen muß, ist ihre Geduld erschöpft: Sie wirft Henry ein für allemal aus der Wohnung und reicht, fest entschlossen, die Ehescheidungsklage ein.
Erst jetzt begreift Henry, daß er Karin nicht mehr zurückgewinnen kann. Ihre Abneigung gegen ihn dokumentiert sie zusätzlich damit, daß sie die Beziehung zu einem verflossenen Freund restauriert. Henry Stutzbach ist außer sich, leidet unter dem aufgezwungenen Liebesverlust, ist aber nicht in der Lage, selbstkritisch in sich zu gehen und über seine eigenen schweren Makel nachzudenken. Im Gegenteil: Schuldzuweisungen sind für ihn immer schon die bequemste Art der Rechtfertigung, denn seine Maxime heißt schon seit seiner Jugendzeit: »Ihr wißt ja wie ich bin, also kommt mir nicht zu nahe!«
Karin hat sich nun endgültig von ihm abgewendet. Das quält ihn sehr. Wieder beschäftigen ihn selbstzerstörerische Gedanken. Diesmal verbindet er sie jedoch mit der Überlegung, vorher Karin zu töten. Er will mit allen Mitteln verhindern, daß ein anderer Mann sie besitzt. In der Folgezeit tüftelt er an einem Plan, auf welche Weise er Karins Leben beenden könnte. Fest steht, er will diesen Augenblick genießen, ihn, wie er in der Vernehmung später angibt, zu einem »beseelenden Glücksgefühl gestalten«.
Nahezu zwanghaft beschäftigen ihn derlei Ideen, und in seinem Hirn malt er sich das gräßliche Szenarium aus: Karin soll schnell sterben. Aber ihren Leichnam will er anschließend sezieren, wie er es im Sektionssaal der Pathologie schon viele Male erlebt hat. Dieser Akt soll schließlich der Höhepunkt seines Genusses sein, den er mit der Dekapitation ausklingen lassen will. Einige Wochen lang spukt das schreckliche Ritual in seinem Hirn. Besonders, wenn er Alkohol getrunken hat, drängt es ihn nach einer baldigen Realisierung. Das alles nimmt ihn innerlich so in Anspruch, daß die Gedanken an eine Selbsttötung immer mehr in den Hintergrund rücken.
Am Donnerstag, dem 13. Februar 1969, wird Henry Stutzbach durch einen Zwischenfall in die notwendige aggressive Stimmung versetzt, sein Vorhaben endgültig zu verwirklichen: Nach Ferierabend besucht er seine Stammkneipe und spielt mit einem Zechbruder Karten. Sieben Glas Bier und ebenso viele Erdbeerliköre bilden sein Abendessen. Doch das Glück ist ihm an diesem Abend nicht hold. Er verliert ein Spiel nach dem anderen und muß schließlich seinem Kumpel einhundert Mark Spielschulden berappen. Er kann den Verlust nicht verwinden. Unbändiger Groll bestimmt sein weiteres Tun. Als sein Kumpel nämlich die Toilette aufsucht, folgt er ihm. Unvermittelt hält er diesem sein geöffnetes Taschenmesser drohend unters Kinn und fordert sein Geld zurück. Der weigert sich. Stutzbach sticht zu, nicht allzu tief, und auch nicht gefährlich, doch die Wunde blutet stark und erschreckt den Verletzten so sehr, daß er den Spielgewinn flugs herausrückt. Henry wirft dabei einen Blick in dessen Geldbörse und bemerkt, daß sein Kumpel noch zwanzig Mark besitzt. Auch die will er nun haben. Doch das gelingt ihm erst nach mehren heftigen Faustschlägen. Verängstigt zieht sich der Beraubte zurück. Stutzbach gibt ihm noch mit auf den Weg:
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