Blutspuren
Dritter verspürt Henrys starke Rechte ebenso wie zwei Schutzpolizisten, die ihn aufs nächste VP-Revier bringen wollen. Ergebnis: Ein Jahr und vier Monate hinter schwedischen Gardinen! Karin Stutzbach nutzt die staatlich verordnete Abwesenheit des Gatten für eine Trennung und bezieht mit den beiden Kindern eine Wohnung in der Ehrenfelsstraße.
Im August 1964 öffnen sich für Henry Stutzbach erneut die Gefängnistore. Seine Mutter, die in der Linienstraße im Stadtbezirk Mitte wohnt, nimmt ihn bei sich auf. Und die Kaderabteilung der Charité erlaubt ihm großzügig, seine Tätigkeit als Sektionsgehilfe fortzusetzen. Frohgemut stürzt er sich in die Arbeit, zeigt großen Fleiß, liest viel medizinische Literatur und avanciert nach einigen Monaten zum stellvertretenden Obersektionsgehilfen.
In »Klärchens Ballhaus« lernt er auf dem Tanzboden die alleinstehende 44jährige Hannelore Schneider kennen, die zufällig auch in der Linienstraße wohnt. Nach den ersten sexuellen Gemeinsamkeiten zieht er zu ihr. Der Frieden ist jedoch nur von kurzer Dauer. Banalitäten bringen ihn so in Rage, daß er Frau Schneider schlägt und mit dem Messer bedroht. Als sie ihn aus der Wohnung werfen will, kommt ihr ein Zufall zu Hilfe: Betrunken schlägt er die Verkäuferin eines Imbißstandes zusammen und wehrt sich mit beiden Fäusten gegen eine Festnahme durch die Polizei. Sein Strafregister vergrößert sich um einen weiteren Posten: Körperverletzung und Widerstand gegen die Staatsgewalt werden mit anderthalb Jahren Gefängnis geahndet.
Im Juli 1967 in die Freiheit entlassen, zieht er wieder zu seiner Mutter. Denn Hannelore Schneider verwehrt ihm den Zutritt zu ihrer Wohnung. Auch seine Gunst in der Kaderabteilung der Charité hat er verspielt: Er darf nicht mehr als Sektionsgehilfe arbeiten. Die Behörden weisen ihm eine Stelle als »Zeitaufwandbearbeiter« im VEB Stereomat zu. Von Anbeginn zeigt er dort gute Arbeitsleistungen.
Anläßlich einer Kneiptour lernt er die 36jährige Brigitte Köhler kennen. Wegen ihrer zerrütteten Ehe will sie sich von ihrem Angetrauten trennen. Henry Stutzbach verschafft ihr ein tolles Liebesvergnügen und bietet ihr an, einstweilen mit in der Wohnung seiner Mutter zu wohnen. Erfreut willigt sie ein. Mit essigsaurer Miene stimmt die Mutter zu. Die Beziehung zu Brigitte Köhler wird, wie Henry Stutzbach in einer späteren polizeilichen Vernehmung angibt, von eigennützigen sexuellen Interessen bestimmt. Sie wird auch dann noch fortgesetzt, nachdem Brigitte wenige Wochen später in die eheliche Wohnung in der Treptower Kiefholzstraße zurückgekehrt ist. Als ihr Ehemann dahinterkommt, daß sie ihm nach wie vor untreu ist, verläßt er sie kurzerhand und reicht die Scheidung ein. Nun ist der Weg für Henry frei, und er kann sich öfter ungestört bei der neuen Geliebten aufhalten. Ganz tief in seinem Innern aber schlägt das Herz immer noch für seine Frau Karin, die getrennt von ihm ein eigenes Leben führt.
Die oberflächliche, nur von Sexualität bestimmte Bindung zu Brigitte Köhler wird bald gestört: In immer kürzeren Zeitabständen läßt er die Geliebte seine ungezähmten Wutausbrüche spüren, die schnell an Intensität zunehmen. Ein dramatischer Höhepunkt wird erreicht, als er zufällig dazu kommt, wie Brigittes Ehemann Sachen aus der ehelichen Wohnung holen will. Henrys harte Rechte vereitelt das Vorhaben: Ein Bruch des Unterkiefers hält den Ehemann vorübergehend von weiteren Besuchen ab. Nun erkennt auch Brigitte die Unberechenbarkeit und Gewalttätigkeit Henrys. Sie will ihm den Laufpaß geben. Enttäuscht und ratlos erhebt er wutschnaubend das Messer gegen sie. Mit einem kühnen Hechtsprung aus dem Fenster ihrer Parterrewohnung kann sie sich vor ihm in Sicherheit bringen. Zwei Tage später kommt er reuevoll zurück und winselt um ihre Gunst. Doch Brigitte will nicht mehr. Mit einem Messer schlitzt er sich den linken Unterarm auf und tobt in der Wohnung umher. Brigitte alarmiert die Polizei. Henry läßt sich widerstandslos ins Städtische Oskar-Ziethen-Krankenhaus bringen, um sich ärztlich versorgen zu lassen. Behutsam überweisen ihn die Herren in Weiß wegen vermeintlicher Suizidgefährdung in das psychiatrische Krankenhaus Wuhlgarten. Doch die selbstzerstörerische Attacke war nicht ernstgemeint. Nach wenigen Tagen wird er entlassen.
Es ist inzwischen Juli 1968. Mehrmals versucht Henry, Karin zurückzugewinnen. Sie verweigert hartnäckig jede Intimität, erlaubt ihm aber den
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