Blutstein
und
überwachsene Steine, aber sie fing sich und hatte den Elfenstein bald erreicht.
Vendela hatte weder Geld noch Schmuckstücke bei sich, sie hatte
nichts in den Taschen, was sie hätte opfern können, aber sie wollte einfach an
diesem Ort sein. Vier Tage hintereinander war dies ihr Ziel gewesen, hier hatte
sie wenigstens vor Max Ruhe.
Sie legte die Handflächen auf den Stein und versuchte sich zu
entspannen. In ihrem Kopf hallten Fetzen ihres Streits wieder.
Aber heute fand sie keinen Trost.
Seit ihrem letzten Besuch bei den Elfen war alles nur schlimmer
geworden, die Traurigkeit hing schwer über dem Reich der Elfen. Vendela sah
ganz deutlich die Bilder, wenn sie die Augen schloss: Der Elfenkönig saß auf
seinem Steinthron und weinte um die kranke Elfenkönigin. Blaues Blut floss aus
seinen Augen.
Vendela spürte, dass sie keine Zeit für sie und ihre Sorgen hatten.
Sie wandte sich ab und lief nach Westen.
Als sie zum Haus zurückkam, waren alle Fenster dunkel. Auch Max’
Audi stand nicht in der Auffahrt, und die Eingangstür war abgeschlossen. Max
musste weggefahren sein, aber zum Glück lag der Ersatzschlüssel unter einem der
Blumentöpfe. Vendela schloss auf und ging hinein.
»Hallo?«, rief sie.
Ihre Stimme hallte, aber sie bekam keine Antwort. Vendela hatte
nicht etwa Max erwartet, aber Ally bellte nicht und kam ihr nicht tapsend
entgegen.
»Ally?«
Keine Reaktion. Als sie in die Küche ging, entdeckte sie eine Notiz
am Kühlschrank:
Bin nach Hause
gefahren –
Gehe mit Ally zum
Tierarzt, lasse von mir hören.
Kuss Max
Vendela riss den Zettel ab und warf ihn wütend zu Boden.
Sie lief durch das ganze Haus, überprüfte jedes Zimmer, bis sie ganz
sicher sein konnte, dass Ally nicht da war. Dann ließ sie sich in einen Sessel
im Wohnzimmer fallen und starrte durch das große Fenster hinunter in den leeren
Steinbruch.
Max war zurück nach Stockholm gefahren und hatte ihren Hund
mitgenommen. Vendela war machtlos, sie konnte nichts tun.
Sie schloss die Augen.
Da hörte sie das Läuten einer Kuhglocke und Jan-Eriks Kichern.
VENDELA UND DIE ELFEN
H enry
Fors hat die Stiefel an sich genommen und die Polizisten die Treppe
hinaufgeführt. Vendela läuft, Böses ahnend, hinterher.
»Kommen Sie hier herein, dann werden Sie erfahren, wem die Stiefel
gehören.«
Er stellt sich vor die einzige verschlossene Tür im ersten Stock und
öffnet sie, ohne vorher anzuklopfen.
»Hier ist er ... mein Sohn Jan-Erik.«
Vendela beobachtet, wie die drei Männer das Zimmer betreten und sich
um eine Gestalt gruppieren, die auf einer Decke in der Mitte sitzt. Er trägt
dieselben verdreckten Kleidungsstücke wie am Tag des Brandes. Jan-Erik legt den
Kopf in den Nacken und sieht die Männer an, dann kichert er und dreht Vendela
den Kopf zu. Sie möchte etwas sagen, aber schafft es nicht einmal, den Mund zu
öffnen.
»Ist er krank?«, fragt einer der Beamten.
»Krank und krank. Er ist geisteskrank.« Henry redet mit ausgestrecktem
Zeigefinger weiter, als würde er eine Sehenswürdigkeit präsentieren: »Wir haben
ihn seit ein paar Jahren bei uns ... vorher war er in einer Anstalt, aber ich
habe ihn da aus reiner Nächstenliebe herausgeholt.« Er macht eine kleine Pause
und fährt dann fort: »Das war vermutlich ein Fehler.«
»Dann sind das seine Stiefel?«
»Ja, natürlich, ich kann Ihnen das beweisen.«
Henry kniet sich neben seinen Sohn, greift sein Bein und zieht ihm
den Stiefel an. Der scheint tatsächlich zu passen, obwohl Vendela genau weiß,
dass die Stiefel ihrem Vater gehören.
»Ja, ja, eindeutig«, sagt der Polizist und sieht hinüber zu dem
Rollstuhl. »Aber kann er denn überhaupt gehen?«
»Na klar«, antwortet Henry. »Der Arzt in der Anstalt hat gesagt,
dass er sehr gut laufen kann, es aber nur tut, wenn keiner zusieht.«
»Zeigen Sie uns das bitte«, fordert ihn der andere Beamte auf.
Henry greift Jan-Erik unter die Arme und zieht ihn hoch.
»Jetzt komm schon.«
Dann stellt er ihn auf seine Füße.
Jan-Erik kichert weiter. Er steht kerzengerade, an dem einen Fuß
eine dicke Socke, an dem anderen einen Stiefel.
Henry versetzt ihm einen kleinen Stoß in den Rücken.
»Los, geh, mein Junge. Lauf los!«
Jan-Erik steht reglos für einige Sekunden da und starrt die
Polizisten an. Dann macht er den ersten zaghaften Schritt, dann einen zweiten.
»Aber warum sollte er den Hof anzünden?«
»Warum?«, widerholt Henry. »Woher soll ich das wissen, ich verstehe
ihn nicht. Er ist eine
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