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Blutstein

Blutstein

Titel: Blutstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johan Theorin
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das? Willst du damit sagen, dass du ...«
    »Ich sorge dafür, dass sie fertig werden.«
    Per sah sie entgeistert an.
    »Du schreibst seine Bücher?«
    »Ja, manchmal«, seufzte sie. »Wir helfen uns gegenseitig. Aber Max
ist der Meinung, dass es besser und einfacher zu handhaben ist, wenn nur er auf
dem Cover steht und als alleiniger Autor in Erscheinung tritt.«
    »Zumindest besser für ihn!«, stellte Per fest. »Ich glaube, das
nennt man ›Torpedo‹, wenn man seinen Namen jemandem leiht, der lieber anonym
bleiben will.«
    »Ja, vielleicht ..., aber Max hat auch kein Problem damit, berühmt zu
sein. Ich stehe nicht so gern im Rampenlicht.«
    Sie hatte immer schon Schwierigkeiten gehabt, offen über ihren Mann
zu sprechen, hatte immer das Gefühl, sie würde ihm in den Rücken fallen. Und
dennoch fuhr sie fort:
    »Max liebt es, im Mittelpunkt zu stehen, und er hat ein sehr
ausgeprägtes Selbstbewusstsein. Zum Beispiel hat er in diesem Frühjahr ein
Kochbuch geschrieben, obwohl er kaum Wasser kochen kann. Ich wünschte mir, ich
hätte nur einen Hauch von dieser Selbstsicherheit. Ich bin eine Weile zur Therapie
gegangen, und da habe ich Max kennengelernt.«
    »Was, er war dein Therapeut?«
    Vendela nickte.
    »Ich habe mich in ihn verliebt, und wir sind ein Paar geworden. Aber
da bekam er mit dem Verband der Psychotherapeuten Ärger. Ein Psychotherapeut
darf seine Patientin nicht verführen, das ist unethisch. Max wurde furchtbar
wütend und entschied sich dafür, den Beruf aufzugeben und stattdessen
Schriftsteller zu werden. Und er kostete den Triumph aus, als seine Bücher zu
Bestsellern wurden.«
    »Warum hast du mit der Therapie angefangen?«, fragte Per nach einer
Weile des Schweigens.
    »Das weiß ich nicht mehr. Vielleicht, um eine traurige und
anstrengende Kindheit verarbeiten zu können, das ist doch meistens der Grund!«
    »Hattest du denn eine traurige und anstrengende Kindheit?«
    »Ja, die war nicht schön«, seufzte Vendela. »Meine Mutter starb sehr
früh, und mein Vater lebte in seiner Traumwelt. Ich hatte außerdem einen großen
Bruder, Jan-Erik. Wir lebten zusammen in einem Haus, aber er wollte nie in
Kontakt mit mir treten. Seine Tür war immer verschlossen. Ich hatte lange gedacht,
im ersten Stock würde ein altes Monster wohnen.«
    »Aber ihr seid euch doch eines Tages begegnet?«
    »Schon, aber er hat mir eine furchtbare Angst eingejagt. Er war
geistig behindert – früher hat man das ›geisteskrank‹ genannt. Und er sah
schrecklich aus.«
    »Schrecklich?«
    »Jan-Erik war allergisch, wie ich auch, aber viel schlimmer. Ich
glaube, es war eine Verbindung aus Allergien, Asthma und empfindlicher Haut. Er
hatte lange, ungepflegte Nägel, mit denen er sich kratzte und die Haut
einritzte, woraufhin er Ekzeme bekam.«
    »Das klingt ja fürchterlich«, sagte Per voller Mitgefühl.
    »Das war es auch, aber früher hat man solche Menschen nicht
behandelt, man hat sie weggesperrt. Er wurde verurteilt, weil er angeblich eine
Scheune angezündet hatte, und dann wollten sie ihn in eine Anstalt auf dem
Festland schicken. Er wäre zusammen mit Sexualverbrechern und Psychopathen
untergebracht worden. Aber das ging nicht.«
    »Das ging nicht?«
    »Nein, ich habe es nicht zugelassen und ihm geholfen zu fliehen.«
    Da verstummte sie und erzählte nicht weiter.
    Die Sonne berührte bereits die Baumwipfel an der Küste, in weniger
als einer Stunde würde es ganz dunkel sein.
    Per war in seinen eigenen Gedanken versunken und betrachtete die
roten Wolken:
    »Es gibt keine Liebe und Rücksicht in dieser Welt, nur Egoismus. Das
hat er mir früh gepredigt. Aber als ich erwachsen wurde, habe ich versucht, ihm
zu beweisen, dass er nicht recht hatte.«
    Vendela drehte sich zu ihm.
    »Von wem sprichst du?«
    »Von meinem Vater.«
    Vendela streckte Per ihre Hand hin, und er griff danach. Seine Hand
war kalt und schmal, wie ihre.
    »Und jetzt ist Jerry weg, und ich habe Angst vor dem Erbe, das er
mir hinterlassen hat.«
    »Was hat er denn hinterlassen?«
    »Traurige Erinnerungen und einen Haufen Probleme.«
    So saßen sie eine Weile, Hand in Hand. Die Sonne war untergegangen,
der Himmel verdunkelte sich, und sie redeten miteinander. Als es zu kalt wurde,
standen sie auf und machten sich auf den Heimweg.
    In der Auffahrt zu Pers Haus blieben sie stehen.
    Er öffnete den Mund, wusste aber nicht, was er sagen oder tun
sollte. Und auch Vendela wusste es nicht.
    »Hier wohne ich«, sagte er schließlich unbeholfen und wandte

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