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Blutstein

Blutstein

Titel: Blutstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johan Theorin
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Garten
zu schleppen, um drei kleinere Beete anzulegen. Sie sah vor ihrem inneren Auge,
wie schon im Mai die ersten grünen Blätter zu sehen sein würden, im Juni reckten
sich die Stängel in die Höhe, und dann kamen schließlich die großen
Blütenblätter, die sich zur Sonne drehten.
    Das Telefon klingelte ein paarmal, aber sie ging nicht ran. Gegen
sieben Uhr nahm sie ein heißes Bad und aß ein paar Knäckebrotscheiben zum Abendessen.
    Dabei sah sie aus dem Fenster hinüber zu dem kleinsten der Häuser am
Steinbruch.
    Sie hatte keine Lust, joggen zu gehen. Für einen kurzen Moment erwog
sie, Gerlof einen Besuch abzustatten, aber sie wollte ihn dann doch lieber
nicht stören. Am liebsten wäre sie zu Per Mörner gegangen und hätte sich mit
ihm für den Rest des Abends unterhalten. Aber sie sah, dass sein Auto nicht vor
dem Haus stand. Also blieb sie in ihrem leeren steineren Haus sitzen und
wartete darauf, dass ihr Mann und ihr Hund zurückkehrten.
    Aber sie kamen nicht. Gegen zehn Uhr ging sie zu Bett.
    Im Halbschlaf hörte Vendela das Brummen eines Motors, das sich
näherte. Sie wurde von dem Geräusch wach, dass jemand die Eingangstür
aufschloss. Als sie die Augen aufschlug, sah sie, dass es erst Viertel vor elf
war.
    Im Flur ging das Licht an und fiel in einem hellen Streifen über
ihre Bettdecke.
    »Hallo?«, rief eine Männerstimme.
    Es war Max.
    »Hallo ...«, antwortete sie und gähnte.
    »Hallo, mein Schatz!«
    Max betrat das Schlafzimmer, noch mit Daunenjacke bekleidet. Vendela
hob den Kopf und sah sich suchend um.
    »Wo ist Aloysius?«
    »Hier«, sagte er und warf etwas auf ihr Bett. »Jetzt ist es
überstanden.«
    Vendela sah ihn verwirrt an.
    »Was ist überstanden?«
    Sie griff nach dem Gegenstand auf ihrer Bettdecke und sah ihn sich
genauer an. Er war klein, schmal und sehr vertraut. Es war ein ledernes Band,
ein Hundehalsband.
    Und sie erkannte den Geruch. Es war das Halsband von Aloysius.
    Max stand neben ihrem Bett.
    »Ich habe mir gedacht, dass du es behalten willst. Als Andenken.«
    »Max, was hast du getan?«
    Er setzte sich auf die Bettkante.
    »Ich erzähl es dir gerne, wenn du das willst. Es war alles sehr
friedlich, ich war die ganze Zeit bei ihm und habe ihn festgehalten. Die
Tierärzte wissen genau, was sie da tun.«
    Vendela starrte ihn entgeistert, ja fassungslos an.
    »Zuerst haben Sie Aloysius ein Beruhigungsmittel gegeben, von der
Sorte, wie du sie auch manchmal nimmst. Dann wurde ihm eine Überdosis
Betäubungsmittel ins Vorderbein gespritzt, und dann mussten wir nur noch ...«
    Vendela setzte sich auf.
    »Ich will das nicht hören!«
    Sie schlug die Decke beiseite, sprang aus dem Bett und raste an Max
vorbei in den Flur. Dort griff sie nach ihrem Mantel, sprang in ihre Stiefel
und knallte die Haustür hinter sich zu.
    Raus, sie wollte einfach nur raus.
    Dort stand der Audi, die Tür war nicht abgeschlossen.
    Sie setzte sich hinters Steuer und lehnte ihren Kopf dagegen.
    Dann endlich kamen die Tränen. Tränen für Aloysius.
    Zehn Jahre. Max und sie hatten ihn damals als kleinen Welpen gekauft,
kurz nach ihrer Hochzeit im Herbst. Als sie den Zwinger des Züchters betreten
hatten, auf der Suche nach einem vierbeinigen Freund, war Ally ihnen
schwanzwedelnd entgegengekommen. Als hätte er sie auserwählt und nicht
umgekehrt. Seit diesem Tag waren Vendela und Aloysius unzertrennlich gewesen.
    Ein Schatten tauchte neben der Fahrertür auf.
    »Vendela?«
    Max klopfte gegen die Scheibe.
    »Jetzt komm schon rein, Vendela ... dann können wir uns in Ruhe
unterhalten!«
    »Hau ab!«
    Sie stieß die Tür auf, ballte die Hände zu Fäusten und drohte Max,
der tatsächlich einen Schritt rückwärts tat. Dann holte sie die Taschenlampe
aus dem Handschuhfach und stieg aus.
    »Fass mich nicht an!«, schrie sie.
    Er ging zwei Schritte zurück, und Vendela lief an ihm vorbei, den
Kiesweg hinunter.
    »Wo willst du denn hin?«
    Sie antwortete ihm nicht – sie wollte so schnell wie möglich so weit
es ging von ihrem Mann entfernt sein und rannte in die Dunkelheit und Kälte.
    57
    D er
Wind fegte ihm ins Gesicht, als Per auf dem Parkplatz vor dem Restaurant
Honolulu aus seinem Saab stieg. Die Luft war eiskalt an diesem Abend, als hätte
es sich der Winter noch einmal überlegt und sei zurückgekehrt.
    Das Restaurant lag am Wasser unmittelbar hinter dem Stadtzentrum von
Karlskrona. Ganz offensichtlich handelte es sich nicht um ein
Sterneetablissement. Da in dem Schild über dem Eingang die

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