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Blutstein

Blutstein

Titel: Blutstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johan Theorin
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Tonlagen. Gegen halb acht stand Per auf. Als er aus dem Fenster
sah, bemerkte er, dass sich etwas verändert hatte. Der Sund war nicht mehr grau
und von Eis bedeckt, er leuchtete dunkelblau.
    Da wusste er, was letzte Nacht geschehen war. Das Grollen, das ihn
geweckt hatte, war vom Eis verursacht worden. Der Sturm hatte die Eisschicht
zerbersten lassen, und jetzt schwammen nur noch vereinzelte Schollen im Wasser.
Am Strand hatte sich ein graues Feld aus Eismatsch gebildet. Das Rauschen kam
von den Wellen, die endlich vom Eis befreit waren.
    Das Eis hatte den Sund verlassen – hunderttausend Tonnen gefrorenes
Wasser waren freigesetzt worden, und Per hatte das Dröhnen dieser Befreiung
gehört.
    Beeindruckend!
    Aber der nächtliche Traum war ziemlich merkwürdig und unheimlich
gewesen. Er wollte am liebsten nicht mehr darüber nachdenken.
    9
    W ährend
Max an seinem Schreibtisch saß und über sein Kochbuch nachdachte, lief Vendela
durchs Haus und fasste den Entschluss, nichts mehr zu essen. Sie hatte sich für
den Aufenthalt auf der Insel zwei Dinge vorgenommen: joggen und fasten. Nicht
um abzunehmen – die Waage im Badezimmer zu Hause hatte zweiundfünfzig Kilo
angezeigt –, sondern um den Körper zu reinigen und so der Natur näherzukommen.
Daher bestand ihr erstes Frühstück in dem neuen Haus aus einem Glas Wasser, das
sie nur in Gesellschaft von Aloysius in der Küche zu sich nahm.
    Die Idee, die Nachbarn zu einem Fest einzuladen, spukte nach wie vor
in ihrem Kopf herum. Sie hatte beschlossen, alle einzuladen, die ihr im Ort
über den Weg laufen würden. Am Tag vor Gründonnerstag, am Mittwoch, sollte es
stattfinden – da luden sich die Leute doch für gewöhnlich nicht selbst Gäste
ins Haus?
    Vorsichtshalber hatte sie aber an die Arbeitszimmertür ihres Mannes
geklopft, um die Idee mit ihm abzusprechen.
    Max hatte in einem seiner beiden Arbeitszimmer gesessen.
    Eine Woche zuvor hatte er eigens einen Umzugswagen mit seinen
Tischen auf die Insel gefahren. Denn Max benötigte drei Schreibtische, wenn er an einem
Sachbuch arbeitete – einen Arbeitstisch, an dem er saß und nachdachte, einen
Tisch, an dem er schrieb, und schließlich einen, an dem er den Text redigierte.
Und damit er dafür genug Platz hatte, bestand sein Arbeitsbereich aus zwei
nebeneinanderliegenden Zimmern.
    Zu seiner Ausrüstung gehörten auch eine Rudermaschine, ein paar
Hanteln und ein Springseil. Allerdings kein Laufband.
    Als Vendela anklopfte, saß er gerade an seinem Gedankentisch, der
vollkommen leer geräumt war. Sie erzählte ihm von ihrer Idee mit dem Fest. Er
hörte ihr zu und nickte schließlich mit dem Kopf zu dem kleinen Häuschen in
unmittelbarer Nachbarschaft.
    »Die da auch?«
    Sie wusste genau, wen er meinte – den Vater und seinen Sohn, den Max
beinahe überfahren hatte.
    »Wir können sie ja übergehen«, schlug Vendela vor, aber ihr Mann
schüttelte den Kopf.
    »Ach was, lad sie auch ein. Brauchst du Hilfe?«
    »Nein, danke, ich komme schon zurecht. Ich bereite das Essen vor,
aber du könntest die Gäste willkommen heißen.«
    Max seufzte.
    »Ich bin gerne Gastgeber, aber ich habe keine Lust, den Ratgeber zu
spielen.«
    »Nein, das verstehe ich gut.«
    »Die Leute fragen mich immerzu um Rat bei allen möglichen Problemen
... aber hier muss ich Ruhe haben.«
    Max schloss die Augen, und Vendela zog sich leise zurück.
    Sie wollte jetzt zu ihrem ersten Spaziergang aufbrechen, ging aber
zuvor ins Badezimmer.
    Den Kulturbeutel hatte sie noch nicht ausgeräumt. Sie stellte ihn
auf den Toilettendeckel und begann, ihre Tabletten in den Medizinschrank zu
räumen.
    Die Allergietabletten mit dem lateinischen Namen fanden auf dem
untersten Regal Platz. Davon besaß sie gleich mehrere Packungen, aber heute
Morgen ging es ihrer Nase und den Augen ganz gut.
    Daneben platzierte sie die Box mit den angstdämpfenden Tabletten,
die eine ähnliche Wirkung hatten wie die kleinen Vistaril-Tabletten, die sie
seit ein paar Jahren am frühen Abend und manchmal in den frühen Morgenstunden
nahm.
    Aber das war in Stockholm. Hier auf der Insel würde sie vorsichtiger
mit den Tabletten sein, und heute würde sie nur zwei nehmen, eine neue Sorte.
Sie hießen Folangir und waren letzte Woche aus Dänemark eingetroffen. Es waren eine
Art Diättabletten, die den Hunger und die innere Unruhe dämpfen sollten –
gleichzeitig versorgten sie den Körper aber mit Nährstoffen. Eine Mischung aus
einem Ringelblumenextrakt und verschiedenen hoch dosierten

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