Blutstein
sein.
»Wo fangen wir an, Papa?«, fragte Jesper und sah sich ratlos im
Steinbruch um.
»Na ja, als Erstes müssen wir uns ein bisschen Schutt und Kies
besorgen.«
Per zeigte auf einen Haufen in einiger Entfernung.
»Aber dürfen wir das so einfach klauen?«
»Wir stehlen doch nicht«, widersprach Per, musste sich aber eingestehen, dass er keine
Ahnung hatte, wem der Steinbruch eigentlich gehörte. »Wir verwenden das Material doch für etwas
Sinnvolles. Es liegt hier sonst nur nutzlos herum.«
Und los ging es. Bloß nicht zu schnell und zu eifrig – er musste an
seinen Rücken denken –, aber energisch genug, um eine Treppe zu errichten, die
aus dem Steinbruch führte.
Über eine Stunde lang schoben sie die Schubkarre hin und her, von
dem Geröllhaufen in der Mitte des Steinbruchs zurück zur Felsenkante unterhalb
ihres Grundstücks. Langsam entstand eine steile Rampe.
Es war schon halb elf, und Per schwitzte. Aber er hatte in etwa
fünfzig Metern Entfernung einen großen Haufen mit länglichen Steinblöcken
entdeckt.
»Wollen wir damit anfangen?«, schlug er vor.
Sie begannen die Kalksteinblöcke auf die Schubkarre zu laden. Per
vermied es, die größten zu nehmen, aber auch die mittelgroßen waren schwer.
Er packte an dem einen Ende an, und Jesper ging auf die andere
Seite. Die Oberfläche des Steines war trocken und glatt.
»Immer in die Knie gehen, Jesper, nicht aus dem Rücken heben.«
Sie hoben gleichzeitig an und wuchteten so nacheinander drei
längliche Blöcke auf die Schubkarre.
Nachdem sie die Blöcke an der Felsenkante abgeladen und die Steine
als Stufen platziert hatten, keuchte Per – das war eine verdammt harte Arbeit.
Wie hatte es Ernst nur geschafft, hier jeden Tag zu schuften, jahrein, jahraus?
Gegen zwölf Uhr hatten sie den unteren Teil der neuen Treppe
fertiggestellt – und Pers Rücken, Nacken und Arme schmerzten. Die Haut an den
Fingern war eingerissen, und die Hände hatten Schwielen und Blasen. Und dennoch
reichte die Treppe noch nicht einmal auf halbe Höhe.
Er lachte müde.
»Na, jetzt haben wir nur noch den Rest vor uns.«
»Wir bräuchten einen Kran«, sagte Jesper.
Per schüttelte den Kopf.
»Das wäre geschummelt.«
Sie zogen sich an der Felskante hoch und kehrten in Ernsts Haus
zurück.
Unser Haus, dachte Per und suchte nach einem passenden Namen. Casa Grande? Nein. Casa Mörner , das musste vorerst genügen.
Gegen Abend kam ein starker Wind auf und fegte über die Insel. Und
als die Sonne untergegangen war, heulte ein Sturm über das Dach des Hauses.
Die Nummer von Nillas Abteilung im Krankenhaus war den ganzen Abend
über besetzt gewesen, aber gegen acht Uhr hatte Per wenigstens dem Wunsch
seiner Tochter entsprochen und ihr einen Gedanken geschickt.
Liebe ,
hatte er gewählt und dann diesen Gedanken zusammen mit dem Bild eines
Sonnenuntergangs über dem Sund in Richtung Krankenhaus gesandt.
Leider kamen keine Gedanken seiner Tochter zu ihm zurück, er fühlte
sich vollkommen leer. Er glaubte zwar nicht an Telepathie, aber es gab nichts
zu verlieren.
Per ging ins Bett und schlief mit dem Heulen des Windes ein. Er
träumte, dass er eine kleine, blonde Holzpuppe im Steinbruch gefangen hatte. Er
hatte sie in einen Stoffbeutel gesteckt und sie aus irgendeinem Grund mit ins
Haus genommen. Aber die Puppe war wütend, und weil der Beutel Risse hatte,
holte Per Klebeband, um ihn zu verschließen, damit die Puppe ihre Finger nicht
herausstrecken konnte. Die Puppe kämpfte und wehrte sich, und Per wickelte
immer mehr Klebeband um den Beutel. Da hörte er das hämische Lachen seines
Vaters.
Aber nein, das Donnern kam nicht von Jerrys heiserem Lachen, es war
vielmehr ein dumpfes Grollen, das die Erde erschütterte.
Per hörte auf, mit dem Beutel zu kämpfen. Er blickte aus dem Fenster
und sah Unglaubliches unten im Steinbruch vor sich gehen: Zwischen Insel und
Festland stieg ein Vulkan aus dem Sund. Das Wasser kochte, die Luft war erfüllt
von grauem Rauch, und ein etwa hundert Meter breiter Krater wuchs in den Himmel
empor, höher und immer höher.
Aus dem Vulkan floss Lava in den Steinbruch und füllte ihn langsam
auf.
Da wachte er endlich auf, verwirrt und zitternd, und tastete
vergeblich in seinem Bett nach der Holzpuppe.
Der Sturm heulte noch immer um das Haus, aber das dumpfe Grollen war
nicht mehr zu hören. Es kam auch nicht wieder, und irgendwann schlief Per
wieder ein.
Der Sonntagmorgen war sonnig, der Wind brauste und rauschte in
ungewöhnlichen
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