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Blutstein

Blutstein

Titel: Blutstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johan Theorin
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auf etwas Heu und fütterte
es mit alten Kartoffeln. Als es größer geworden war, trug ich es nach draußen
und wollte es in die Freiheit entlassen. Aber es weigerte sich, von meiner
Seite zu weichen. Es war von mir geprägt.« Gerlof kicherte in sich hinein. »Der
Kranich folgte mir den ganzen Sommer lang auf dem Fuß, wie ein Hund auf zwei
Beinen. Immer wenn ich ihn loswerden wollte und versuchte, mich heimlich
davonzustehlen, flog er in die Höhe und drehte über dem Ort seine Kreise, bis
er mich wieder entdeckt hatte ... Einen Sommer lang hatte ich einen Kranich als
Haustier, bis der Herbst kam und er zusammen mit seinen Artgenossen gen Süden
zog.«
    Alle am Tisch lachten herzlich über die Geschichte.
    »Als Sie dann später zur See fuhren«, fragte Per interessiert,
»waren Sie da das ganze Jahr unterwegs?«
    »Nein, im Winter froren die Frachter im Hafen ein, da hatten wir
frei«, sagte Gerlof. »Im Dezember gingen wir alle an Land und hatten die
folgenden Monate eine ruhige Zeit, solange das Meer weiß war. Da beschäftigte
man sich mit kleineren Reparaturen an seinem Frachter, überprüfte den Motor und
besserte die Segel aus. Die restliche Zeit saß man mit den anderen Kapitänen
zusammen und wartete auf den Frühling.«
    Er sah hinunter in den Steinbruch:
    »Aber der Kalkstein wurde selbstverständlich den ganzen Winter hindurch
abgetragen und im Hafen aufeinandergestapelt. Tausende von Tonnen. Dann kam die
Frühlingssonne, das Eis verschwand aus dem Sund, und es wurde wieder Zeit, die
Segel zu hissen.«
    »Auf dem Meer im Frühlingswind«, schwärmte Marie Kurdin. »Das muss
doch wunderbar gewesen sein.«
    Gerlof schüttelte den Kopf.
    »So romantisch war das keineswegs.«
    »Gab es viele Unfälle?«, fragte Per. »Auf Grund laufen oder so
etwas?«
    »Nicht bei uns«, warf John ein. »Wir hatten kein einziges Mal
Grundberührung.«
    »Stimmt, nicht ein Mal in dreißig Jahren«, bestätigte Gerlof. »Einer
unserer Frachter sank bei einem Feuer, aber auf Grund sind wir nie gelaufen ...
Aber es war eine harte Arbeit, die Seefahrt, hart und einsam. Ich habe
versucht, meine Frau und meine Töchter so oft es ging mitzunehmen, aber
meistens waren John und ich allein auf dem Frachter, tagein, tagaus. Die
Familie blieb zu Hause.«
    Er wandte den Blick ab und musste an seine Ella denken.
    Natürlich glaubte er nicht an Trolle. Aber wer war dieser seltsame
Gast, der Ella besucht hatte, während er zur See gefahren war?
    23
    V endela
hatte ein paar Gläser Wein getrunken und wurde ganz allmählich ein wenig
lockerer. Da hörte sie plötzlich eine laute Stimme auf der anderen Seite des
Tisches, alkoholisiert und dadurch noch unnachgiebiger.
    »Nein, ich bezahle keine Steuern in Schweden«, tönte Max laut. »Mein
Unternehmen ist hier gar nicht registriert, das wäre viel zu teuer ... Außerdem
traue ich dem schwedischen Steuersystem nicht über den Weg. Die wollen doch nur
die Leute klein halten.«
    Max lachte einmal quer über den Tisch. Vendela fühlte sich
gezwungen, seine Position ein bisschen zu relativieren.
    »Natürlich bezahlst du Steuern hier, Max.«
    Er sah sie an, und sein Lachen erstarb.
    »Wenn ich unbedingt muss, ja. Aber so wenig wie möglich.«
    Dann hob er sein Weinglas, als würden sie alle einem ökonomischen
Klub Gleichgesinnter angehören. Da ertönte eine andere laute Stimme:
    »Ich bezahle gerne Steuern.«
    Das war Christer Kurdin.
    »Ach ja?«, entgegnete Max. »Womit verdienen Sie denn Ihr Geld?«
    »Netzsicherheit!«, lautete die knappe Antwort.
    Auch er hatte schon einige Gläser Wein getrunken, neben seinem
Teller stand eine fast leere Flasche weißer Bordeaux. Sein Blick war benebelt,
als er sich an Max wandte.
    »Ich habe euch alle so satt«, sagte er.
    »Wie bitte?«, fragte Max.
    »Euch Steuerflüchtlinge ... Ich habe diese Betrügereien so satt.«
    Max senkte sein Glas.
    »Ich bin kein Betrüg...«
    »Sie benutzen doch die Straßen in Schweden, oder etwa nicht?«,
unterbrach ihn Christer Kurdin.
    »Wie meinen Sie das?«
    »Na, Sie sind doch über die Ölandbrücke auf die Insel gefahren?«
    Max runzelte die Stirn.
    »Was hat das denn damit zu tun?«
    »Unsere Steuern haben diese Brücke finanziert«, erklärte Christer.
»Und die Straßen. Und alles andere, was wir pausenlos in Anspruch nehmen.
Schulen, Krankenhäuser, Renten ...«
    »Die Renten?«, wiederholte Max. »Die Renten in unserem Land sind
doch ein einziger Witz. Und das Gesundheitswesen auch.«
    »Das Gesundheitswesen

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