Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blutstein

Blutstein

Titel: Blutstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johan Theorin
Vom Netzwerk:
verschwinden ... selbstverständlich war es einfacher, einem
Sagenwesen die Schuld zu geben als den eigenen Kollegen.«
    »Meinen Sie, die haben sich gegenseitig bestohlen?«
    »Nein.« Gerlof schüttelte den Kopf und lächelte sie an. »Das war
bestimmt ein Troll.«
    »Troll«, sagte eine heisere Stimme neben ihm.
    Sie gehörte dem dritten älteren Herrn am Tisch, Per Mörners Vater.
    Vendela konnte sich nicht an seinen Namen erinnern. Billy oder Barry
oder Jerry? Er hatte die meiste Zeit in sich zusammengesunken dagesessen und
eine Zigarette zwischen seinen gelben Fingern gehalten. Aber jetzt richtete er
sich auf und blickte aufgewühlt in die Runde.
    »Markus Lukas«, stieß er hervor. »Markus Lukas ist krank.«
    24
    E s
war halb elf, und Per saß auf der Veranda der Nachbarn und lauschte den
zischenden Atemzügen seines Vaters. Er klang an diesem Abend schlimmer als
sonst – wie der Atem eines Mannes, der nicht mehr lange zu leben hat, aber
vorhat, sich bis zum Schluss zu amüsieren.
    Jerry schien sich wohlzufühlen. Manchmal sank er in sich zusammen
und starrte auf seinen gelähmten Arm. Dann plötzlich richtete er sich mit einem
Ruck auf und hob das Weinglas. Ab und zu sah er verängstigt aus, dann wiederum
lächelte er in sich hinein. Offenbar hatte er vergessen, dass sein Geschäftspartner
Hans Bremer als vermisst galt und ihr Filmstudio – genau genommen das gesamte
Unternehmen Morner Art – vor nicht mehr als drei Tagen in Rauch und Flammen
aufgegangen war.
    Das heisere Husten seines Vaters war den ganzen Abend über zu hören
gewesen, aber mit zunehmendem Weinkonsum war auch sein Lachen häufiger
geworden. Er hatte sich seit Beginn des Essens bestimmt vier oder fünf Gläser
eingegossen und war eindeutig angetrunken, vermutete Per. Aber das würde den
Familienfrieden schon nicht stören, schließlich war es nicht das erste Mal.
    Mittlerweile war es pechschwarz, und dicke Wolken bedeckten den
Abendhimmel. Per spürte etwas Kaltes auf seiner Wange und stellte fest, dass
ein feiner Nieselregen eingesetzt hatte.
    Bald war es Zeit, ins Haus zu gehen. Jeder in sein eigenes.
    Nilla schlief schon längst im Sommerhaus. Per blickte hinüber und
konnte in der Entfernung nur die eine Lampe im Wohnzimmer brennen sehen. Er
hatte Nilla bereits früh am Abend im Rollstuhl nach Hause gefahren – sie hatte
Per zugeflüstert, dass sie nicht mehr sitzen konnte. Hatte sie überhaupt etwas
gegessen? Er war sich nicht ganz sicher.
    Jesper hatte noch ein bisschen länger ausgehalten, ehe er dann auch
zurück zur Casa Mörner und hoffentlich früh ins Bett gegangen war.
    Per wollte auch bald aufbrechen und Jerry mitnehmen. Er hatte die
Nachbarn jetzt kennengelernt, und sie alle schienen ganz nette und zuverlässige
Leute zu sein, aber er hatte nicht vor, sich mit ihnen anzufreunden. Er musste
nur seine Hütte mit ihren Häusern vergleichen, um zu erkennen, wie unterschiedlich
sie waren.
    Da kam eine Frage quer über den Tisch:
    »Womit beschäftigen Sie sich denn, Jerry?«
    Max Larsson hatte sie gestellt.
    Jerry stellte sein Weinglas ab und schüttelte den Kopf. Er fand nur
ein Wort:
    »Frei.«
    »Okay, aber was tun Sie so, wenn Sie nicht hier bei uns sitzen?«
    Jerry sah seinen Sohn verwirrt an. Per lehnte sich vor.
    »Jerry ist jetzt Pensionär ... Er hat viele Jahre lang eine Firma
geleitet, aber in den letzten Jahren musste er kürzertreten.«
    Max nickte, ließ aber nicht locker.
    »Und was war das für eine Firma? Jerry Morner ... ich sitze hier schon
die ganze Zeit und überlege, ich bin der Meinung, dass ich Ihren Namen
irgendwoher kenne.«
    »Aus den Medien«, sagte Per. »Jerry war in den Medien tätig. Das bin
ich auch.«
    »Ach, tatsächlich«, Max war auf einmal sehr interessiert. »Arbeiten
Sie fürs Fernsehen?«
    »Nein ... ich arbeite in der Marktforschung.«
    »Ach so.« Max sah enttäuscht aus.
    »Und ich gehe gern joggen«, lenkte Per ab und sah die anderen Gäste
an. »Obwohl das ja eher ein Hobby ist. Teilt jemand hier diese Leidenschaft?«
    »Ich laufe auch«, sagte eine Stimme aus der Dunkelheit. »Ich mache
das schon seit Jahren.«
    Die Gastgeberin Vendela hatte geantwortet. Sie hatte große, schöne
Augen.
    »Super!«, sagte Per und lächelte sie an.
    Er wollte bald aufbrechen und dieses enorme Haus verlassen und in
sein kleines Heim zurückkehren. Aber in diesem Augenblick setzte sich Jerry
neben ihm mit einem Ruck auf und starrte Max Larsson an. Sein Blick war
glasklar und konzentriert, als wüsste

Weitere Kostenlose Bücher