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Blutstein

Blutstein

Titel: Blutstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johan Theorin
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hatte, richtete er sich auf
und streckte sich.
    »Jerry, jetzt bist du wieder gesund, und ich habe mir überlegt, dich
nach Hause zu fahren. Heute Abend bringe ich dich zurück nach Kristianstad. Was
hältst du davon?«
    Sein Vater blieb stumm.
    »Dann ist das abgemacht, Jerry. Bleib einfach hier sitzen, und ruh
dich aus, wir essen dann später.«
    Nach dem Mittagessen zog Per sich um und ging joggen. Zum einen, um
seinen Kopf freizubekommen, zum anderen, um der Gesellschaft von Jerry für eine
Weile zu entkommen.
    Das Wetter an diesem Ostersonntag war klar und frühlingsfrisch, nur
über dem Festland hingen ein paar Schleierwolken. Per lief nach Norden, an der
Küste entlang, und hielt erst an, als die kleine Insel Blaue Jungfrau als
schwarze Kuppel im Sund vor ihm auftauchte. Er genoss den Blick auf diese Landschaft:
die Felsen, die Sonne, das Meer. Für einige wenige Sekunden konnte er alles
andere vergessen. Dann machte er kehrt und lief wieder zurück.
    Er war fast zu Hause angekommen, als er in einiger Entfernung einen
anderen Läufer entdeckte in einem roten Trainingsanzug mit weißer Baseballkappe
auf dem Kopf. Die Gestalt kam von Osten über den Weg auf den Steinbruch zu, der
sich ins Landesinnere schlängelte. Eine schlanke Person, die sich mit schnellen
Schritten näherte.
    Es war Vendela Larsson.
    Per blieb einige Hundert Meter vom Steinbruch entfernt stehen und
wartete, bis sie ihn erreicht hatte. Er lächelte ihr entgegen.
    »Hallo, wie weit war es?«
    Interessanterweise hatte Per den Eindruck, dass Vendela verlegen
wirkte, als fühlte sie sich irgendwie ertappt.
    »Wie weit? Sie meinen, welche Strecke ich gelaufen bin?« Sie schien
nachdenken zu müssen. »Ich habe noch nie nachgerechnet ... ich bin raus in die
Alvar gelaufen und wieder zurück. Das ist meine übliche Runde.«
    »Prima. Ich laufe meistens die Strecke an der Küste hoch. Zwei
Kilometer nach Norden und wieder zurück.«
    Sie lächelte. »Ich jogge fast jeden Abend. Wir haben doch darüber
gesprochen, einmal gemeinsam zu laufen ... vielleicht morgen?«
    »Gerne«, antwortete Per.
    Sie schwiegen, und schließlich machte sich Per im langsamen
Laufschritt auf den Nachhauseweg. Vendela folgte ihm.
    »Wie geht es den Kindern?«
    Per beobachtete sie von der Seite. Wie viel wusste sie? Wusste sie,
dass Nilla krank war? Er hatte keine Kraft, jetzt darüber zu sprechen.
    »Na, es geht mal so und mal so«, sagte er ausweichend. »Jesper geht
es gut, aber seine Schwester Nilla hat ... sie hat ihren Glücksstein verloren.«
    »Ach wirklich, ist sie sehr traurig?«, fragte Vendela. »Ich fand ja,
dass sie auf unserem Fest ein bisschen blass wirkte, so als wäre sie ...«
    »Ein bisschen«, unterbrach Per sie, »sie ist ein bisschen traurig.«
    Vendela sah hinüber zur Casa Mörner.
    »Hat sie ihn im Haus verloren?«
    »Das glaubt sie zumindest.«
    Vendela blieb unvermittelt auf dem Kiesweg stehen und schloss für
ein paar Sekunden die Augen. Per sah sie besorgt an.
    »Geht es Ihnen gut?«
    Sie öffnete die Augen und nickte. Dann setzte sie ihren Heimweg
fort. Über die Schulter, als sei es eine Selbstverständlichkeit, rief sie ihm
noch zu:
    »Ich glaube, Sie werden den Stein gleich finden. Der ist bestimmt
noch in ihrem Zimmer.«
    Und so war es tatsächlich auch.
    Als Per nach Hause kam und in das Zimmer ging, in dem Nilla über
Ostern gewohnt hatte, lag er auf ihrem Bett. Ein kleiner runder, geschliffener
Lavastein, gut sichtbar auf dem weißen Bettlaken.
    Aber er hatte doch in ihrem Zimmer nachgesehen? Er hatte doch
überall nach diesem Glücksstein gesucht.
    35
    D ie
vom Fest«, sagte Jerry.
    Er stand vor dem Sommerhaus und zeigte mit seinem zitternden
    Zeigefinger nach Süden.
    »Wie bitte?«, fragte Per irritiert, er bereitete den Wagen für die
Fahrt vor.
    »Haben Film gemacht«, sagte Jerry.
    »Von wem redest du denn?«
    »Sie da!«
    Er deutete nach wie vor mit dem Zeigefinger in die Luft. Per sah
hinüber zum Nachbarhaus, wo sich zwei Gestalten in der Einfahrt bewegten.
    »Meinst du Marie Kurdin? Die Frau mit dem Baby?«
    Jerry nickte.
    »Sie hat in deinen Filmen mitgemacht?«
    Jerry nickte erneut.
    »Flittchen!«
    Per biss sich auf die Lippe, Jerry hatte das Wort früher oft
verwendet.
    »Sag so etwas nicht«, bat er ihn.
    »Knackig«, sagte Jerry langsam, als würde ihm das Wort gefallen.
»Knack-kiges Flittchen.«
    »Hör auf damit«, zischte Per. »Ich bin nicht interessiert.«
    Trotzdem wanderte sein Blick zum Nachbarhaus.
    Marie Kurdin

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