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Blutstern

Blutstern

Titel: Blutstern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Woelm
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und Bruno Scholz, ein Streifenpolizist, kam auf Rotfux zu.
    Â»Hallo, Herr Kommissar. Wir haben nichts verändert. Die Tote liegt in der Kirche vor dem Altar, wie wir sie gefunden haben.«
    Â»Ich habe sie gefunden, ich war der erste … «, mischte sich im selben Augenblick der Maulaff ein und schob sich aus der Menschenmenge nach vorne. Wie üblich steckte er in seiner Röhrenhose ohne Bügelfalten, trug schwere, klobige Schuhe und diesen tannengrünen Mantel mit den Metallknöpfen, der fast an einen Uniformrock erinnerte.
    Â»So, Sie haben die Tote gefunden«, sagte Rotfux ganz ruhig, »erzählen Sie mal.«
    Der Maulaff strahlte, dann legte er los: »Ich war früh morgens unterwegs, konnte nicht mehr schlafen, schlafe oft schlecht, Herr Kommissar … «
    Â»Jaja, schon gut, und dann?«
    Â»Dann fing es an zu regnen, hat geschüttet wie aus Kübeln. Ich war in der Sandgasse, bin zur Sandkirche gerannt und habe mich dort unter den Torbogen gestellt. Plötzlich fiel mir etwas auf: Die Tür der Kirche war aufgebrochen, Splitter im Holz neben dem Türschloss. Und sie stand einen Spalt breit offen, obwohl sie sonst um diese Zeit verschlossen ist.«
    Â»Und da haben Sie die Polizei gerufen«, sagte Rotfux.
    Â»Oh nein, Herr Kommissar, ich habe nachgeschaut. Dachte, jemand hat das Gotteshaus ausgeraubt. Wollte sehen, was los ist. Drinnen war es noch ziemlich dunkel, habe kaum etwas gesehen und bin fast über sie gestolpert, sie liegt vor dem Altar, schrecklich, diese Augen, schrecklich.«
    Der Maulaff zitterte vor Erregung und einen Moment lang tat er dem Kommissar fast leid.
    Â»Ich wusste nicht was ich tun sollte«, fuhr er fort, »habe geschrien, bin aus der Kirche gerannt, habe bei der Metzgerei gegen die Tür geklopft, aber niemand hörte mich, bis endlich oben im Haus ein Fenster aufging und die Bewohner die Polizei gerufen haben.«
    Â»Das haben Sie gut gemacht«, lobte ihn der Kommissar. »Angefasst haben Sie hoffentlich nichts?«, fragte er zur Sicherheit.
    Â»Nein, nichts, nur die Kirchentür und ein paar Bänke vielleicht. Die Tote habe ich nicht angerührt. Sie sieht so schrecklich aus. Diese Augen und die Hände, furchtbar.«
    Die Menge war inzwischen näher gekommen, drängte sich um den Maulaff, wollte jedes Wort hören, und Rotfux war sich sicher, dass die Geschichte sich in Windeseile in Aschaffenburg verbreiten würde.
    Â»Bitte, bleiben Sie bei den Kollegen, falls wir noch Fragen haben«, sagte Rotfux zu ihm. Der schien in seinem Mantel ein Stück zu wachsen und zog unterwürfig seinen schwarzen Hut.
    Rotfux betrachtete kurz die nussbaumfarbene Eingangstür zur Kirche, sah das gesplitterte Holz in der Höhe des Schlosses, und trat durch den Windfang ins Innere. Er war lange nicht hier gewesen und musste sich an das sanfte Licht in der Kirche gewöhnen. Es fiel durch die Seitenfenster und tauchte den Altarraum in eine goldgelbe milde Stimmung, während die graubraunen Bankreihen und der rote Teppich im Mittelgang noch im Dunklen lagen. Wie konnte man einen solchen Ort für einen Mord wählen?, fragte sich der Kommissar. In Begleitung von Oberwiesner ging er über den roten Teppich langsam nach vorn. Beide sagten nichts. Rotfux sah die Tote am Boden liegen und doch nahm ihn für einen Augenblick der Rokokoaltar gefangen. Er sah das Gnadenbild der Muttergottes, in einem Glasschrein im Zentrum des Altars. Seltsam, dachte Rotfux, Christus auf dem Schoß der Maria war hier kein Christuskind, sondern eine schmächtige, erwachsene Person mit langem Haar und dunklem Bart. Man schrieb diesem Gnadenbild Wunder zu, aber den Mord, der hier geschehen war, hatte es offensichtlich nicht verhindern können.
    Rotfux begann zu begreifen, was der Maulaff mit den schrecklichen Augen gemeint hatte. Die Tote lag auf dem Rücken, den Kopf in Richtung Altar gerichtet. Sie musste im Todeskampf versucht haben, die Schmerzhafte Muttergottes zu sehen, jedenfalls waren ihre Augen weit aufgerissen und schauten nach oben, sodass man von unten das Weiß der Augäpfel sah. Die Hände hatte sie über den Kopf gereckt, wie zum Gebet, schrecklich ineinander verkrampft, wahrscheinlich vor Schmerzen. Ihre weiße Bluse war aufgerissen. Die faltigen, runzeligen Brüste der alten Frau hingen seitlich am Körper herab und waren mit Blut verschmiert. Bei genauerem Hinsehen entdeckte Rotfux ein Zeichen:

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