Blutstern
Er fühlte sich als stolzer Massai, hatte diesen Schmuck nicht umsonst geschenkt bekommen, sondern würde sich des Schmuckes würdig erweisen. Bis zum Abend schleppte er sich zu einem kleinen Wäldchen. Dort legte er sich zwischen abgestorbene Ãste, die er mühsam zusammen trug. Wenn die Massai ihre Krale mit Dornengestrüpp schützten, würde er es ihnen gleichtun, um in der Nacht seine Ruhe vor den wilden Tieren zu haben.
Am nächsten Morgen wurde er durch wildes Getrampel geweckt. Eine Büffelherde kam genau auf das Wäldchen zu. Mit vorgestreckten Köpfen galoppierten sie an ihm vorbei, als wollten sie ihre eigenen Hörner überholen, diese breiten schwarzen Hörner, vor denen Thomas groÃen Respekt hatte. Er entdeckte den Grund der Aufregung. Drei oder vier Löwen kreisten um die Büffelherde, die sich vor dem Wäldchen teilte und in zwei Richtungen auseinanderstob.
Du lieber Himmel, dachte Thomas, wenn die mich erwischen, bin ich geliefert. Er machte sich ganz klein auf seiner Plane, hielt den Griff des Spatens fest in der Hand und beobachtete die fliehenden Büffel und die angreifenden Löwen. Fast war die Herde an ihm vorüber, da bemerkte Thomas einen Nachzügler, der von den Löwen abgedrängt wurde. Gott sei Dank, schoss es ihm durchs Hirn, die sind erst einmal beschäftigt. Fasziniert beobachtete er das grausame Schauspiel: Als einer der Löwen den Büffel fast erreicht hatte, sprang er dem gehetzten Tier in vollem Lauf von hinten kraftvoll auf den Rücken und riss den Büffel durch die Wucht des Sprunges um. Er packte ihn sofort an der Kehle, biss sich dort mit seinen scharfen Zähnen fest und lockerte den Biss erst wieder, als der Büffel nach einigen Minuten seinen schweren Kopf nach unten sinken lieà und leise zuckend seinen Todeskampf verloren gab.
So schnell konnte es gehen. Da lag der Büffel geschlagen im Staub der Savanne, die Löwen kauerten über ihm und vergruben ihre blutigen Mäuler in seinen Flanken. Ganz in der Nähe hockten dicht gedrängt Geier in den Bäumen, bereit zum Anflug, um sich ihren Teil an der Beute zu sichern. Als die Löwen satt waren, zogen sie sich unter eine Akazie zurück, die sich einige hundert Meter entfernt in den Himmel reckte. Die haben es gut, dachte Thomas. Die sind satt, während ich hungere und durste.
Im selben Augenblick witterte eine angriffslustige Hyäne ihre Chance. In geducktem Gang stolzierte sie auf ihn zu, heulte bellend und setzte zum Sprung an. Thomas riss seinen Spaten hoch und erwischte sie am Hals.
»Du oder ich«, schrie er.
Die Hyäne überschlug sich, raste wie wahnsinnig im Kreis herum und trollte sich schlieÃlich jämmerlich winselnd.
Erschöpft setzte Thomas seinen Weg fort. Die Sonne brannte unbarmherzig auf ihn herab. Ãber Mittag rastete er ausgiebig im Schatten einiger Bäume. Am späten Nachmittag kämpfte er sich weiter durch die vor Hitze flimmernde Ebene, über der das eintönige Muhen der Gnus lag. Plötzlich erstarrte Thomas vor Schreck. In etwa hundert Metern Entfernung erhob sich ein Löwe aus dem gelben Gras der Savanne, stand einen Moment lang still, blickte majestätisch und überlegen in seine Richtung und kam mit wiegenden Schritten langsam auf ihn zu. Er schien keine Eile zu haben. Thomas gefror das Blut in seinen Adern.
Alle Gnus und Zebras, die noch kurz vorher die Ebene stampfend, muhend und brüllend bevölkert hatten, zogen einen weiten Bogen um den Löwen, versuchten Freiraum zu finden, setzten sich nach und nach von der drohenden Gefahr ab. Diejenigen, die ihm zu nah waren, verharrten in völliger Bewegungslosigkeit, taten keinen Schritt und fraÃen nicht mehr. Das Gras, durch das der Löwe kam, wurde höher. Nur sein Kopf und die Schultern waren noch zu sehen. Er wiegte seine dunkle Mähne hin und her, aber er brüllte nicht, wie Thomas es erwartet hätte. Er riss auch sein Maul nicht auf, sondern ging ganz ruhig auf sein Ziel zu, als hätte er alle Zeit der Welt.
Thomas richtete sich hoch auf. Er hielt seinen Spaten in der rechten Hand. Kampflos würde er sich nicht ergeben. Der Löwe begann zu rennen, kam in mächtigen Sprüngen auf Thomas zu, das Maul weit aufgerissen, mit wütend dumpfem Brüllen, warf er sich auf ihn, riss ihn mit voller Wucht um, schlug mit den Pranken um sich, wälzte sich auf ihm, bis Thomas das warme Blut an seinem Hals
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