Blutstern
jungen Seidelmann eingeschärft. »Die Morde haben irgendetwas mit diesen Familien und der Bekleidungsindustrie zu tun. Zwar sitzt Bernhard Flieger in Untersuchungshaft, aber er beteuert seine Unschuld und manchmal glaube ich, dass er die Wahrheit sagt. Beobachtet bitte alles genau: Wer tanzt mit wem? Wer flüstert mit wem? Es kann alles wichtig sein.«
Der junge Seidelmann glühte daraufhin vor Eifer. Er führte mehrere Strichlisten, pendelte im groÃen Saal hin und her, machte unauffällig Fotos mit seiner Mini-Kamera und schlich sogar an der Tanzfläche herum, um die Tanzenden zu beobachten. Oberwiesner hingegen verfolgte ganz gelassen, wie das Buffet im Foyer vor dem groÃen Saal aufgebaut wurde, und überlegte sich, wo er zuerst zugreifen würde. Gerda Geiger hatte sich im kleinen Saal an einen der Seitentische gesetzt, von denen man alles überblicken konnte, und schaute eher gelangweilt in die Runde.
»Na, schon etwas entdeckt?«, fragte Rotfux den jungen Seidelmann, als der ihm in der Nähe der Tanzfläche über den Weg lief.
Seidelmann zückte seine Strichlisten und ging sie kurz durch.
»Der alte Flieger spricht schon länger mit seiner Enkelin Sabine.«
»Mhmm«, brummte Rotfux.
»Oskar Leitner hat mehrfach mit Nicole Flieger getanzt.«
»Die braucht wohl Unterhaltung, seit ihr Mann in Untersuchungshaft sitzt. Sonst noch etwas von Bedeutung?«
»Ich konnte hören, dass die beiden vom Zusammenschluss ihrer Firmen sprachen. âºMaintexâ¹ wollen sie die neue Firma nennen.«
»Ist ja interessant«, sagte Rotfux leise. »Aber da wird der alte Flieger sicher ein Wörtchen mitzureden haben.«
Rotfux nickte Seidelmann freundlich zu und ermunterte ihn, mit seinem Bericht fortzufahren.
»Die Frau von Oskar Leitner sitzt ziemlich gelangweilt am Tisch und Alexander Leitner hat mehrfach versucht, Sabine Flieger zum Tanz aufzufordern.«
»Und? Tanzt sie mit ihm?«
»Bisher nicht.«
»Mhmm«, brummte Rotfux wieder. »Prima, Seidelmann. Machen Sie weiter so. Irgendwann wird sich ein Bild ergeben.«
Der Kommissar ging zwischen den ansteigenden Tischreihen nach oben zum Foyer. Er war beeindruckt von der festlichen Stimmung, welche die perfekt dekorierte Stadthalle ausstrahlte. Hut ab vor Johann Flieger, dachte er. Mit der Aschaffenburger Fashion Week hatte er der Stadt ein Juwel geschenkt, das nicht nur die Modebranche schmückte. Beim Buffet traf er Oberwiesner.
»Na, was entdeckt, Otto?«
»AuÃer dem Buffet nicht viel«, lachte Oberwiesner. Er konnte sich diesen Scherz erlauben, denn er kannte den Kommissar seit mehr als 20 Jahren.
»Eine Sache ist mir aufgefallen. Nicole Flieger und Oskar Leitner sind zusammen zur Toilette gegangen und haben sich danach länger im Foyer unterhalten. Dabei hat sie mehrmals schallend gelacht. Wenn mein Mann in Untersuchungshaft säÃe, würde ich mich ehrlich gesagt zurückhalten, meinst du nicht?«
»Mhmm«, brummte Rotfux. »Da hast du recht. Bitte, Otto, halt die Augen weiter offen, auch wenn das Buffet noch so lecker aussieht.«
Durch die gläserne Fensterfront waren vom Foyer aus die angestrahlten Türme des Aschaffenburger Schlosses zu sehen. Aschaffenburg ist wirklich schön, dachte Rotfux.
Â
Sabine Flieger sah, wie Alexander sich erhob, in ihre Richtung schaute, auf sie zukam und sich verbeugte.
»Darf ich bitten, Sabine?«
Er gab sich groÃe Mühe, Johann Flieger nickte zustimmend, Oskar Leitner lächelte in ihre Richtung und sie wusste, dass sie diesmal nicht ablehnen konnte. Sie presste sich ein »Gern doch« heraus, erhob sich und folgte ihm auf die Tanzfläche.
»Ich freue mich, dass wir endlich tanzen«, sagte Alexander. »Tut mir leid wegen deinem Besuch bei uns. Ich habe mich unmöglich benommen. Aber ich liebe dich eben.«
Sie antwortete darauf nichts. So einfach geht das nicht, dachte sie, und versuchte Abstand von ihm zu halten.
»Lass uns wieder Freunde sein«, flüsterte er in ihr Ohr. »Es war doch immer schön mit uns.«
Er tanzte gut, führte energisch, sie konnte einfach mit ihm mitgehen und war versucht, ihm fast zu glauben. Sie legte ihren Kopf an seine Schulter, vergaà sich einen Augenblick, doch schon im nächsten Moment riss sie ein grelles Blitzlicht in die Wirklichkeit zurück.
»Alexander, nun verstehâ doch endlich, ich liebe Thomas und
Weitere Kostenlose Bücher