Blutstrafe - Thriller
Dinge in dieser Wohnung auf der Strecke geblieben, seit wir Maeve verloren hatten.
Nachdem ich dies nun nachgeholt hatte, kochte ich eine Kanne Kaffee und machte mich an weniger wichtige Aufgaben wie die Onlinebezahlung von Rechnungen. Ich ließ mir Zeit und meine Gedanken abschweifen – ein gutes Gefühl, zur Abwechslung mal ein bisschen blauzumachen. Vielleicht hätte ich ein schlechtes Gewissen haben sollen wegen der Berichte, die ich schreiben musste, aber sollten das doch die anderen machen. Ich war mit meiner eigenen Mannschaft zu Hause, spürte ihre Liebe und fand es toll, mich zur Abwechslung mal um Menschen kümmern zu können, die nicht versuchten, mich deswegen umzubringen.
Zum ungefähr einmillionsten Mal dachte ich darüber nach, dass mein Leben mich in letzter Zeit an eine Kerze erinnerte, deren Docht an beiden Enden entflammt war – und mich regelrecht ausbrannte. Das wiederum ließ mich einige Stellenangebote überdenken, die ich in den letzten Monaten erhalten hatte, seit ich durch eine große Geiselnahme in der St. Patrick’s Cathedral so etwas wie ein berühmter Polizist geworden war.
Das beste Angebot betraf das Sicherheitsmanagement eines Unternehmens bei ABC. Sie suchten jemanden, der die Sicherheitskräfte der lokalen Nachrichtensender an der Columbus Avenue koordinierte. Der Arbeitsplatz war leicht zu erreichen, die Arbeitszeiten human und das Gehalt doppelt so hoch wie mein derzeitiges.
Doch mir fehlten nur noch fünf Jahre bis zu meiner Zwanzig-Jahres-Pension, und ehrlich gesagt war ich mir nicht sicher, ob ich meine Dienstmarke gerade jetzt abgeben wollte. Das Hauptproblem war, dass ich gerne Polizist war, besonders bei der Mordkommission. Damit konnte ich mich identifizieren.
Andererseits liebte ich meine Familie, die mich mehr brauchte als je zuvor. Eine Arbeit, bei der ich abends und am Wochenende zu Hause war, wäre ein Geschenk des Himmels, ebenso wie das bessere Gehalt. Was also sollte ich tun?
Wie üblich fiel mir die Entscheidung nicht einfach so zu. Als ich den Rechnungskram und ein paar andere Aufgaben erledigt hatte, drehte ich eine Runde, um nach meinen kranken Kindern zu sehen, und setzte sie zu einer Quizrunde mit Harry Potter: Scene It? vor den Fernseher.
Dann klingelte mein Mobiltelefon. Mein Gefühl sagte mir, dass das nichts Gutes bedeutete. Doch ignorieren konnte ich es auch nicht.
» Mike Bennett«, meldete ich mich.
» Hallo, Mike. Hier ist Marissa Wyatt. Bleib bitte dran, ich verbinde mit Commissioner Daly.«
Ich kniff die Augen zusammen und richtete mich auf. Ich wusste, dass der Urlaubsantrag nach einem Chaos wie dem des vergangenen Abends zu Verstimmungen führen konnte, doch ein Anruf vom Commissioner? Was wollte er von mir? Hatte das Fiasko von Harlem so rasch Kreise gezogen?
» Mike?«, fragte Daly.
Ich hatte Daly bereits bei einigen Besprechungen mit hochrangigen Kollegen erlebt, zu denen ich eingeladen worden war. Er schien immer schnell zur Sache zu kommen, zumindest so schnell, wie man etwas in dem Puzzle-Chaos finden konnte, das im One Police Plaza herrschte. Ich beschloss, lieber selbst gleich die Initiative zu ergreifen.
» Hallo, Commissioner«, grüßte ich. » Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie leid es mir tut, wie die Dinge gestern Abend gelaufen sind …«
» Darüber reden wir später«, fiel er mir ins Wort. » Ich brauche Sie hier, und zwar sofort. Seit heute Morgen passieren die seltsamsten Dinge. Ein paar Angriffe von Durchgeknallten, unter anderem von jemandem, der eine junge Frau vor eine U-Bahn gestoßen hat. Dann eine hässliche Schießerei im Ralph-Lauren-Geschäft auf der Madison Avenue vor etwa einer Viertelstunde. Da es so aussieht, als würde sich eine Katastrophe anbahnen, und Sie zufällig der ehemalige Leiter des Katastropheneinsatzkommandos sind, habe ich Sie als unseren Teamkoordinator ausgewählt.«
Verdammt, das war nicht fair. Der Commissioner musste in meiner Personalakte geblättert haben. In meinem vorherigen Leben, damals als Alleinstehender, hatte ich für das Katastropheneinsatzkommando gearbeitet, ein FBI-Team, das besonders bei Katastrophen mit kriminellem Hintergrund eingesetzt wurde.
Doch mich rückblickend gleich zum Abteilungsleiter zu ernennen war lächerlich. Wegen meines irischen Mundwerks war ich immer nach vorne geschoben worden, um die anderen abzulenken, während die wahren Helden – unser Team aus forensischen Anthropologen, Umwelttechnikern und klinischen Psychologen – mich gut aussehen
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