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Blutsvermächtnis (German Edition)

Blutsvermächtnis (German Edition)

Titel: Blutsvermächtnis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathy Felsing
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hatten ihn die ersten Erdstöße getroffen, die Bilder seines Jungen aus nahezu zwölf Jahrtausende altem Gedenken binnen eines Wimpernschlags an die Oberfläche katapultiert und gewaltsam sein Denken und Handeln bestimmt.
    Der warme Lebenssaft seines Wirts sprudelte Elias Kehle hinab.
    Wenngleich er das Konterfei seines Sohnes zigtausendfach ins Gedächtnis gebrannt hatte, nichts entfesselte die Vergangenheit so leibhaftig wie drohendes Unheil. Er war zurückgeschleudert worden in das Toben des Ozeans, in den Kampf um das nackte Überleben. Er sah die dünnen Glieder, das eingefallene Gesichtchen, dem das Leben einst so rosige Apfelwangen verliehen hatten. Er schmeckte das Salz des Meeres, vermischt mit dem Blut, das er sich aus dem Handgelenk gesaugt hatte, um es dem Baby einzuflößen.
    Elia schluckte gierig Crichtons Lebenssaft hinunter. Der Rausch blieb aus. Das erhabene Gefühl, das den Geist betörte, die Sinne trunken machte, wenn die energiegeladenen Blutkörperchen des Wirtes in seine Zellen gelangten und die Blüte seiner Existenz nährten.
    Stattdessen durchspülte drakonischer Seelenschmerz jede Faser seines Seins, fachte mit unerträglicher Glut die Erinnerung an, wie er auf der Spitze des Licancabur stand, die Arme gen Himmel gestreckt und um Gnade schrie, bis ihm allein noch Wimmern über die Lippen gekrochen war.
    Langsam zog er die Zähne aus Crichtons Hals zurück. Das Fleisch schloss sich und heilte, sowie er den Mund von der Haut löste. Eine Minute schwiegen sie, vertieft in den intimen Augenblick der Symbiose. Dann wandte Crichton das Wort an ihn.
    „Die Mitglieder des Ensembles sind nun beisammen, Herr.“
    „Ist jemand verletzt?“
    „Nein, Herr. Ich habe veranlasst, dass sie zum Flughafen gebracht werden.“
    „Danke, Crichton. Was ist mit dem Personal?“
    „Es fehlt nur Maria, Herr. Die Übrigen waren mit mir in der Küche.“ Crichton knöpfte sein Hemd zu und richtete die Fliege. „Eines der Mädchen hat sich den Fuß verstaucht, ansonsten sind alle mit dem Schrecken davongekommen. Ich habe vier Männer auf die Suche geschickt und mehrere Gruppen zum Aufräumen und Beseitigen der Schäden eingeteilt.“
    Elia wandte sich ab, sodass Crichton seinen Gesichtsausdruck nicht sah. „Und was ist mit unseren Gästen?“ Er spürte nur zu gut, dass er seinen Ausdruck nicht unter Kontrolle hatte. Die unterschiedlichen Geister in seinem Inneren trugen einen erbitterten Kampf aus, und ein Ende des Gefechts war nicht in Sicht. Zwölf Jahrtausende Bitterkeit und Enttäuschung, Trauer und Selbstverzweiflung stritten mit wenigen Stunden Glück und Hoffnung.
    „Bisher keine Spur, Herr.“
    „Haltet mich auf dem Laufenden.“ Elia stach sich mit einer Lanzette in eine Fingerkuppe seiner Linken und presste drei Blutstropfen auf ein Glasplättchen. „Ich danke Euch wie immer für den Genuss.“ Er reichte Crichton den Objektträger. Mit einer Würde, wie es kaum einem anderen Menschen als dem Prince of Pembroke zu eigen sein konnte, nahm dieser die Blutgabe entgegen.
    Zur Hölle, warum musste er sich fühlen, als hätte er seine Würde dem Teufel verschrieben! Elia ballte die Fäuste.
    „Ich habe zu danken, Herr.“ Crichton verneigte sich.
    Zumindest verflüchtigte sich allmählich die Panik, die Elia der Kontrolle und seiner Denkfähigkeit beraubt hatte. Er strich sich über die Stirn. Wohl zu lange hatte er kein Blut getrunken. Er schnellte jäh herum, hieb mit der Faust vor die Wand und gab einem Gemälde den Rest. Es stürzte zu Boden.
    Was kümmerten ihn die Menschen! Er hatte es nicht nötig, sein Handeln zu rechtfertigen. Schon gar nicht mit solch närrischen Entschuldigungen wie Blutdurst. Ja doch, es beruhigte ihn, wenn er den Lebenssaft trank – doch niemals brauchte er ihn, um sich seiner Handlungen bewusst zu werden. Sie gar verständlich zu machen suchen. Sie zu entschuldigen. Er lachte auf. Hatte er sich selbst nun bereits Rede und Antwort zu stehen?
    „Wem gegenüber habe ich mich zu verantworten?“ Elia brüllte die Frage aus vollem Hals.
    „Sir?“ Crichton erwiderte seinen Blick mit erhabener Ruhe.
    Elia schnaufte, strich sich den Rock glatt und schluckte tobenden Zorn. „Ihr findet mich in der Bibliothek.“ Er stürmte aus dem Kaminzimmer. Wer war er, dass er sich schuldig fühlen musste, dass ihm Selbstvorwürfe Galle auf die Zunge spülten, dass er sich zerrissen und wie ein schäbiger Halunke vorkam.
    Er war der letzte Überlebende von Atlantis! Er war der Sohn eines

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