Blutsvermächtnis (German Edition)
ohne dass sie aufgetaucht oder er auch nur einen Schritt vorangekommen war. Seine Sorge wuchs stündlich. Er konnte sich nicht vorstellen, dass Nevaeh Noah an ihrer Stelle schicken würde. Also warum war Noah hier und wo steckte Nevaeh?
Als er den Geländewagen aus der Tiefgarage hinausgefahren hatte, hatte sich seine Vermutung bestätigt, dass das Bauwerk im Tal des Todes unterhalb des ehemaligen Camps lag. Nevaeh wusste also, wo sie anzusetzen hatte, auch wenn er wünschte, dass sie sich weit weg von diesem Ort hielte. Er verfluchte sich zum wiederholten Mal, dass er sie nicht begleitet hatte. Im gleichen Atemzug dämpfte er seinen Vorwurf, indem er sich bewusst machte, dass immerhin noch die Aussicht bestand, die Mumie zu finden oder Spops ein anderes wichtiges Geheimnis zu entreißen. Da war etwas!
Die Entscheidung, zurückzubleiben, zählte zu den schwersten seines Lebens. Allein die Überzeugung, dass Nevaeh zäh war und es schaffen würde, aus der Wüste zu fliehen, hatte es ihn übers Herz bringen lassen, das Tor hinter ihr zu schließen. Er hatte das Ziel fast erreicht, spürte, dass Spops der Schlüssel war, und wollte sich nicht in letzter Sekunde davon abbringen lassen. Das Gen lag vor seiner Nase, die Rettung für Noah und Nevaeh war zumGreifen nah.
Wieder stellte er sich dieselbe Frage. Wieso tauchte jetzt plötzlich Noah hier auf? Und wer war die blonde Frau an seiner Seite? Ihm fielen seine Sekretärin an der UCLA, eine Verkäuferin im Supermarkt und Nancy Scott, die Leiterin des LAPI ein – doch zwischen keiner der Frauen und Noah brachte er eine Verbindung zustande. Sie kannten sich nicht. Und er kannte keine blonden Frauen, die Noah kannte. Nur zwei der Frauen kamen außer Nevaeh infrage, ihn an diesen Ort geführt zu haben – und seine Sekretärin schied aus. Sie wusste zwar, wo die Expedition stattfand, aber damit erschöpfte sich ihr Interesse auch schon. Blieb also nur Nancy Scott. Ob die Institutsleiterin mit Noah nach den Gründen für den Abbruch der Expedition forschte? War Nevaeh doch schwerer verletzt, als er angenommen hatte, und konnte nicht herkommen? Er hatte bis auf die Schnittwunden an den Füßen und einen Schock keine Verletzung festgestellt. Er war so sicher gewesen, dass sie es schaffen würde … so verdammt sicher. Was, wenn er irrte? Die Antwort verbot er sich für den Moment. Es würde ihn umbringen.
Wo blieb der Butler? Warum brauchte er so lange?
Joshua nahm seine Runde wieder auf. Achtzehn Schritte bis zum Regal, achtzehn Schritte zurück zum Tisch. Im Augenwinkel sah er Maria, die ihre vor dem Bauch verschränkten Hände knetete und abseits des Regals neben einer Zimmerpflanze stand. Eine eiserne Faust entsetzlicher Selbstvorwürfe boxte ihm in die Eingeweide, dass er dieser Frau vielleicht das Leben gerettet, während er das seiner Tochter aufs Spiel gesetzt hatte. Ihm wurde schwarz vor Augen. Nein, sie musste geflohen sein.
Wenn Nevaeh versucht hatte, in San Pedro Hilfe zu finden und Unterstützung herbeizutrommeln, hatte man ihr vielleicht keinen Glauben geschenkt. Aber dass sie nach L. A. zurückgekehrt war und Noah herschickte, glaubte er auch nicht. Er konnte sich einfach keinen Reim auf Noahs Auftauchen machen und betete, dass Nevaeh unversehrt war.
Wieder kam er an dem Regal an und dieses Mal drehte er sich um und stürmte auf die Tür zu. Er riss sie auf und brüllte durch den langen Korridor.
„Crichton!“
„Sir Morrison?“
Einem Herzinfarkt nahe wirbelte Joshua herum und starrte den Butler an, der hinter seinem Rücken wie aus dem Nichts aufgetaucht war.
„Ich will sofort raus aus diesem verdammten Kasten. Ich muss meinen Sohn da oben finden.“
„Beruhigt Euch, Morrison. Ihr könnt nicht einfach hinausstürmen.“
„Und ob ich …“
Crichton legte ihm eine Hand auf die Schulter. „Kommt mit.“ Er wandte sich an Maria. „Du auch.“ Im Flur erklärte er: „Ich finde Sir Spops im Moment nicht, aber ich bin sicher, dass er jeden Moment erscheinen wird.“
Joshua folgte dem Butler in ein Büro. Crichton setzte sich mit steif durchgedrücktem Rücken in den Sessel hinter einem ausladenden Schreibtisch und wies auf einen Besucherstuhl. Maria blieb neben der Tür stehen.
„Zieht ihn zu mir heran.“
Crichton tippte eine Ziffernfolge auf einen in die Tischplatte eingelassenen Touchscreen. Mit einem leisen Surren klappten sich vier Monitore aus einer Vertiefung und fuhren in senkrechte Position.
Joshua starrte auf die nacheinander
Weitere Kostenlose Bücher