Blutsvermächtnis (German Edition)
wahr, Liebling?“
Erneut streichelte Mommy ihre Wangen und ein Glücksgefühl durchrieselte sie, als perlte warmer Sand über ihreHaut. Den Schmerz des heftigen Reißens an den kurzen Härchen in ihrem Nacken wandelte sie in Glückshormone.
Dann kam Daddy nach Hause. Er begrüßte Mommy und gab ihr einen langen Kuss, anschließend beugte er sich zu ihr zum Sofa herab und hob sie samt Decke auf die Arme. „Bist du wieder erkältet, Zaubermaus?“ Er küsste sie. „Hmmm, wie gut du duftest.“ Er strich ihr über die Haare. „Und wie hübsch deine Frisur aussieht. Komm“, er stellte sie auf die Beine, „lass mich schauen, wie meine Prinzessin heute angezogen ist.“ Er hob ihre Hand hoch und drehte sie wie bei einem Tanz im Kreis. „Habe die Ehre.“ Dad legte einen Arm angewinkelt vor die Brust und verbeugte sich. „Darf ich die junge Dame zum Dinner ausführen?“
Er wandte sich Mommy zu. „Ihr habt doch noch nicht gegessen?“
„Nur eine Suppe“, antwortete sie. „Nancy geht es heute nicht so gut. Bestimmt ist sie froh, wenn sie gleich in die Federn krabbeln darf. Wir haben nur auf dich gewartet, nicht wahr, Nancy?“
Sie nickte.
Dad streichelte ihre Schultern, dann hob er sie erneut auf die Arme. „Na, dann wollen wir meine Prinzessin mal in ihre Gemächer bringen.“
Er ließ sie sanft auf das Bett gleiten. „Das ist aber warm hier. Möchtest du, dass ich das Fenster öffne?“
Sie schüttelte den Kopf.
Mommy kam herein. „Ich mach das schon.“ Sie hielt ein Nachthemd in der Hand. „Nach dem Zähneputzen kommt Daddy dir noch mal Gute Nacht sagen, Liebling.“
Dad weinte. Er schluchzte so laut, dass sie verwirrt die Augen aufriss.
Das Zimmer verschob sich erneut und die weißen Wände rasteten ein. Nevaeh versuchte, sich aus ihrer Benommenheit hervorzustemmen.
„Oh mein Gott. Ich habe so etwas geahnt … aber das … bei Gott, das habe ich nicht gewusst.“ Fields schluchzte rau.
Nevaeh schoss empor, saß kerzengerade im Bett. Hektisch überflog sie mit den Händen ihren Körper. Sie war unverletzt, weder fror sie noch war ihr heiß. Ihr fielen Felsbrocken vom Herzen, sie atmete tief durch.
Mit einem Krachen flog die Zimmertür ins Schloss, doch Fields gequälter Schrei riss nicht ab. Dafür fiel das Gefühl, in zäher Melasse gefangen zu sein, von ihr ab.
Shit, was hatte sie gerade durchgemacht? Der Schock, die Erinnerung an Nancys Namen trieb ihr Schauder über die Haut und langsam sickerte es in ihr Bewusstsein, dass sie einer Retrospektive, einer Rückschau in die Vergangenheit, den Weg in die Gegenwart gebahnt hatte. Doch was hatte Fields damit zu tun? Warum war er schluchzend aus dem Zimmer gerannt? Die beiden Türsteher waren ihm sofort hinterhergestürmt.
Ihr Blick fiel auf Korhonen, der gelassen am Türrahmen lehnte und an einem Fingernagel kaute. Konnten nicht grüne Schleimmonster auftauchen und ihn und seine Handlanger verschlingen?
Fields war kein DPA-Psychologe. Wohin Korhonen sie auch gebracht haben mochte, niemals glaubte sie jetzt noch, dass er ein Arzt war. Noch immer gellte sein Schrei durch das Gemäuer, ließ die Wände vibrieren und die Fensterscheibe klirren.
Vermutlich war er einer der Personen, die über paranormale Kräfte verfügten, von denen Jayden erzählt hatte. Was ihm zuvor nicht gelungen war, hatte er geschafft, nachdem Korhonen mit diesem verdammten Medikament aufgetaucht war. Jetzt steuerte Fields ihre Gabe und ließ sie Szenen aus der Vergangenheit hervorrufen. Grannys Stimme bahnte sich einen Weg aus dem Unterbewusstsein.
Sie ist kein normales kleines Mädchen, auch wenn Nomy das nicht wahrhaben will … Nevaeh kann mit ihren Traumvorstellungen Seelen prägen. Aber wenn nicht ein Wunder geschieht, wird sie daran verbrechen, wie alle anderen vor ihr
.
Nevaeh schauderte. Ihr grauste davor, was ihre Gabe und die verdrängten Erinnerungen noch alles zum Vorschein bringen würden.
Der Traum hatte sich verdammt echt angefühlt. Als hätte sie die Qualen am eigenen Leibe erfahren.
Die arme Nancy. Ob sie das wirklich real durchgemacht hatte als kleines Mädchen? Konnte eine Mutter so grausam sein? Wie alt mochte Nancy gewesen sein? Vier? Fünf? Nevaeh schüttelte sich. Dagegen war ihr Schicksal ein Zuckerschlecken …
Sie schnappte nach Luft, als ihr zu Bewusstsein kam, dass die Stimme des Mannes im Traum zu Fields gehörte. War er Nancys Vater? Der gequälte Schrei, mit dem er den Raum verlassen hatte, sprach für diese Vermutung. Auch dass sie
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