Blutsvermächtnis (German Edition)
aufflackernden Bilder. Auf allen Displays erschienen Außenaufnahmen der Wüste. Der Butler steuerte über diverse Eingaben die Anzeigen, bis Joshua den Stellplatz des Camps erkannte. Ein Jeep stand verlassen herum. Crichton ließ auf dem ersten Monitor das Standbild stehen. Nein, es war kein Standbild. Am Rückspiegel des offenen Fahrzeugs baumelte ein Anhänger. Es musste eine Liveübertragung von versteckt angebrachten Außenkameras sein.
Auf dem zweiten Monitor bewegte Crichton die Kamera im Kreis, die Perspektive erfasste einen größeren Bereich als der erste Monitor und schließlich zoomte das Bild heran. Der Jeep war auch hier zu erkennen. Das Abschätzen der Entfernungen fiel Joshua noch schwer, aber es durften nicht mehr als vielleicht fünfzig Yards bis zu der kleinen Anhöhe sein, die sich hinter dem Fahrzeug erhob. Jetzt erkannte er, dass es sich in der Tat um den Ort handelte, an dem das Camp gestanden hatte. An zwei Seiten erhoben sich Felswände, in deren Schutz sie das Lager aufgebaut hatten.
Crichton behielt auch hier die Kameraeinstellung bei und widmete sich dem nächsten Display. Das Bild mit dem Anblick des Vulkans im Hintergrund verschwand, die Anzeige wurde für einen Moment schwarz und dann zeigte sich eine Aufnahme, bei der Joshua ein Aufschrei entfuhr.
Er erkannte auf Anhieb das kleine Plateau, auf dem Nevaehs Zelt gestanden hatte. Vor dem Gebüsch, das die Felswand im hinteren Bereich der etwa acht mal zehn Yards messenden Fläche mit Bewuchs überspannte, stand ein Hüne, den er sofort als Coronel Varela identifizierte, obwohl seine Erinnerung ihm das Bild des Mannes verweigerte. Neben ihm stand die blonde Frau. Sie hielt eine Maschinenpistole, während eine gleichartige Waffe an einem Riemen über Varelas Schulter baumelte.
Das lange Haar der Frau bewegte sich unter einer leichten Brise. Joshua musste mehrmals hinschauen. Er schluckte. „Nancy Scott“, brachte er rau hervor. „Die Leiterin des LAPI, des Instituts, das die Expedition durchgeführt hat.“
Sein Blick flog auf den Monitoren hin und her.
„Wo ist mein Sohn?“
Mittlerweile bediente Crichton die Steuerung der Kamera auf dem vierten Monitor. Wieder zoomte das Plateau heran, diesmal aus der anderen Richtung. Im Vordergrund war ein Stück von Varelas Schulter zu sehen, die Perspektive schien fast, als blickte er durch die Augen des Coronels. Und dann sah er Noah.
Joshua krümmte sich zusammen und presste die Hände vor den Leib. Noah saß mit nacktem Oberkörper und nach hinten gestreckten Armen auf einer Kiste. Die angespannte Haltung ließ vermuten, dass seine Hände im Rücken gefesselt waren. Zwischen seinen Beinen sah man die Aufschrift der Holzkiste: „HIGH EXPLOSIVES“, und darunter: „DANGEROUS“.
„Oh, mein Gott!“, entwich es Joshua. Er wischte sich über die Augen, um wieder einen klaren Blick zu bekommen.
Als Varelas Gebrüll durch das Tal des Todes schallte und der Ton sich über die just zugeschalteten Lautsprecher in dem Büro verbreitete, sprang Joshua auf.
„Elasippos!“, dröhnte es, gefolgt von tödlicher Stille.
„Wen meint er?“ Er hatte seine Frage noch nicht völlig ausgesprochen, da wurde ihm die Bedeutung bewusst. Mit Anagrammen kannte er sich aus – immerhin hatte er ein Palindrom des Wortes Heaven zum Vornamen seiner Tochter erwählt. „Elia Spops, Elasippos. Was hat das zu bedeuten?“
„Kommt raus!“, befahl Varela. „Ich gebe Euch eine Stunde … sonst fliegt hier alles in die Luft. Und nicht nur Euer verdammtes Versteck. Auch Morrisons Sohn dürft ihr in Fetzen aufsammeln, habt Ihr das gehört, Ihr verdammter Mistkerl?“
Wieder folgte eine Pause. Jede Sekunde brachte Joshuas Nerven dem Reißen näher.
„Zeigt Euch. Ich weiß, dass Ihr Euch hier irgendwo versteckt, und bin sicher, Ihr hört mich.“
Noahs Anblick, wie er mit durchgedrücktem Rücken auf der Kiste saß, wie er den Blick wuterfüllt zwischen Varela und Nancy hin- und herschweifen ließ, brachte Joshuas Geduld zum Überkochen.
Elia lehnte die Stirn an den kalten Fels, doch die Temperatur der Steine übertrumpfte die eisige Faust des Gletschers nicht, der sich in seinem Herzen ausbreitete. Durch ein Labyrinth von der Tropfsteinhöhle aus, dessen Weg nicht einmal Crichton kannte, war er in die unterirdische Sackgasse geeilt. Nur eine Felswand mit einer Stärke von einem Yard trennte ihn von Mestor.
Er legte die Hände gegen das Gestein, als wollte er die Seele seines Babys durch den Fels in
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