Blutsvermächtnis (German Edition)
zu heilen von ihrem Irrsinn. Sie ist bereits als Kind durchgedreht nach dem Tod ihrer Mutter. Deine Gabe ist ein Geschenk der Götter.“
„Die ich überhaupt nicht will. Ich bringe nur Unglück. Diese Gabe ist ein Fluch!“ Sie schluchzte auf und warf die Hände vor das Gesicht. Er legte seine Hand auf ihren Arm, doch sie schüttelte ihn ab. Ihre Gedanken rasten, Erinnerungen aus einem vorherigen Leben mischten sich mit den Bildern der jüngsten Vergangenheit. Sie würde sich in einem Strom der Verwirrung verlieren.
„Du musst lernen, deine Träume zu steuern, damit es dir nicht ergeht wie den anderen Frauen, die ich fand. Man nennt das
luzides Träumen
. Das ist es, was ich von dir wollte. Aber es war falsch, verzeih mir. Und nicht zuletzt ist mir klar geworden, dass ich dich nicht zwingen kann, ohne dass du daran zerbrichst. Es ist schlimm genug, dass ich Nancys Seele zerstört habe.“
Nevaehs Atem beschleunigte sich. Sie lebte noch, sie hatte bislang den Wahn der Dream Shaper bezwungen. Sie lauschte in das totenstille Haus hinein. Ob die DPA-Männer noch unter der Bewachung der Hunde standen?
„Ich habe Jahrhunderte meines Lebens mit dieser Sage verbracht, Dutzende Menschen in allen Epochen gesprochen, denen ein Stück Wissen über die Legende gegeben war, die wenigen Dokumente in meinen Besitz gebracht, die davon zeugen.“
„Wie alt bist du denn?“
„Ich kam 1486 als Bastard zur Welt und wuchs im Kloster auf. Ich erfuhr nie, woher ich stammte, bis eine der Nonnen starb und ich mit siebzehn das Kloster verlassen musste. Bevor sich das Tor hinter mir schloss, steckte mir eine der Frauen einen Brief zu. Er stammte von Annalena, meiner Mutter – der Nonne, die verstorben war. Erst da erfuhr ich, wer sie war, dass sie all die Jahre bei mir gewesen war. Dank meiner Erziehung im Kloster konnte ich Lesen und Schreiben, etwas, das zu dieser Zeit kaum ein Bürgerlicher beherrschte.“
Nevaeh trocknete ihre Tränen. Der Bericht nahm sie gefangen.
„Der Nachlass erzählte von meinem Vater. Meine Mutter bat mich um Verzeihung und erklärte, er sei vom Teufel besessen gewesen. Er habe ihr erklärt, dass er ein Halbgott sei, dass er mit ihr in die Wüste gehen wolle, um zu der Mumie seines vor Jahrtausenden gestorbenen Sohnes zurückzukehren. Erst dachte sie, er würde an einer Geisteskrankheit leiden, aber dann zeigte er ihr eine seiner Fähigkeiten. Er las ihre Gedanken und sie geriet in Panik. Für sie als gläubige Katholikin konnte nur Satan dahinterstecken, ein Dämon von dem Mann Besitz ergriffen haben, den sie liebte. Sie ergriff die Flucht. Von da an habe ich sämtliche Wüsten der Erde durchkämmt, Jahrhunderte später ein Museum in Kairo eröffnet …“
Wüste, Mumie. Nevaehs Herz vollführte unkontrollierte Sprünge. „Hat sie den Namen deines Vaters erwähnt?“
Preston erwiderte ihren Blick. „Elasippos.“
Es hielt sie nicht auf dem Stuhl, sie sprang auf und hastete in der Küche hin und her. Irgendwann blieb sie vor Preston stehen. Sie schluckte schwer an dem Kloß in ihrem Hals, doch dann überwand sie sich. „Preston“, sie griff nach seiner Hand, „vielleicht kann ich deinen Traum doch noch erfüllen und dich und deinen Vater zusammenbringen.“
Er senkte den Blick, doch sie erhaschte die Traurigkeit und die Verzweiflung. „Es hat keinen Zweck mehr, Nevaeh. Ich bin es nicht wert.“
„Gib nicht auf“, erwiderte sie atemlos. „Ich …“
„Nein. Schweig. Ich will nicht, dass du Gutes für mich tust. Ich habe deinen Vater beinahe ein Vierteljahrhundert lang für meine Zwecke eingespannt. Ich habe den Freund deines Bruders auf dem Gewissen, weil ich ihn zu meinem Werkzeug gemacht habe. Ich habe Jason Caball und Korhonen bezahlt, um dich in meine Gewalt zu bringen.“ Preston machte eine lange Pause. „Aber das Schlimmste ist, dass ich deine Mutter auf dem Gewissen habe.“
Nevaeh fiel die Kinnlade hinunter.
„Was?“ Mit Gewalt unterdrückte sie die Gedanken an Mom, der Schmerz würde sie umbringen. Sie spürte, dass ihre Kraft noch nicht reichte, diese letzte Schachtel aus der Gedankenschublade zu nehmen. „Das kann unmöglich sein!“ Ihre Stimme klang krächzend. „Ich bin es, die Schuld trägt an Moms Tod.“
Er schüttelte traurig den Kopf. „Du irrst. Ist das der Grund, weshalb du deine Träume unterdrückst?“
Nevaeh nickte. Es war zwar nicht allein das, auch Noah spielte eine wichtige Rolle, aber … Sie suchte nach den passenden Worten. „Ich sah Mom
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