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Blutsvermächtnis (German Edition)

Blutsvermächtnis (German Edition)

Titel: Blutsvermächtnis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathy Felsing
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Schritte von dickem Teppich gedämpft. Dass es keine Männer waren, schloss er aus der Leichtfüßigkeit des Getrappels. Der Geruch von Rosenwasser umnebelte seine Nase von weither – das Parfüm einer der Frauen. Der Duft hüllte ihn ein, entlockte ihm ein wohliges Aufseufzen und weckte jugendhafte Triebe. Er schmeckte das liebliche Aroma sogar auf der Zunge. Joshua blinzelte und betastete sein Gesicht. Nein, er trug seine Brille nicht. Dennoch erkannte er die Fältchen in dem karibikblauen Brokat, der sein Bett überspannte. Er kniff die Lider zusammen, traute seinen Empfindungen nicht, doch als er sie erneut aufschlug, zeigten sich die Konturen noch geschärfter, die Farben intensiver.
    Er warf die Decke beiseite und schwang die Füße von der Matratze.
    „Hoppla!“
    Vom eigenen Elan erfasst, war er zur Seite gekippt. Joshua richtete sich gleich wieder auf und rieb sich die Schläfen. Unmöglich! Kein Schmerz krümmte sein Rückgrat, ließ seine Beine sich wie Briefbeschwerer anfühlen. Er stand auf und ging ein paar Schritte. Beschwingt. Elastisch. Gott, er fühlte sich wie ein Dreißigjähriger. Unfug – wie zwanzig. Fünfzehn. Sein Magen knurrte. Er verspürte Hunger wie ein Bär. Prompt klopfte es an der Tür, die sich erst öffnete, als er ein „Herein“ von sich gab. Höflich. Im Vergleich zu seinem bisherigen Gastgeber schien er glatt im Himmel gelandet zu sein.
    Ehe seine Entscheidung fiel, ob er Angst haben oder erleichtert sein sollte, betrat ein mittelgroßer, leicht untersetzter Herr den Raum. Er schätzte ihn auf Ende fünfzig. Er bewegte sich mit eleganten, geschliffenen Bewegungen, als hätte er jahrhundertelange Übung. Sein kaum sichtbares Verneigen des Kopfes strahlte Hoheit und Eleganz aus, wie Joshua es nie erlebt hatte. So musste es in Königshäusern zugehen. Mit sanfter, schnurrender Stimme stellte sich der Hereingetretene vor.
    „Mein Name ist Charles Crichton, Prince of Pembroke, Sir. Ich bin Sir Elia Spops Butler. Bitte nennen Sie mich Crichton.“
    „Angenehm. Joshua Morrison.“ Er kam sich ärmlich und nichtig vor in Anbetracht der Noblesse, die sein Gegenüber aus jeder Pore versprühte.
    „Und sofern ich mir erlauben darf, Sir …“, der Diener legte eine hoheitsvolle Pause ein, „in unserem Haus pflegt man die Gewohnheit, die zweite Person Plural als Honorificum 5 zu benutzen. Gestattet Ihr, dass ich Euch ersuche, sich dem anzuschließen?“
    Crichton betonte das Satzende wie eine Frage, aber seine Miene eröffnete keinen Zweifel, dass er ausschließlich stumme Akzeptanz zuzulassen gedachte. Joshua schluckte. Wie ungewöhnlich … nun gut, wenn man es sich denn so erbat … Irgendwie fand er es lustig.
    „Wie Ihr wünscht“, gab er zurück und deutete eine Verbeugung an.
    Ein hauchzartes Lächeln schlich sich um Crichtons Mundwinkel. „Dann werde ich jetzt den Kammerdiener zum Baden und Umkleiden schicken und Euch anschließend zum Dinner mit dem Hausherrn führen.“
    Er verneigte sich und schritt rückwärtsgehend aus der Tür. Just schwand sein Schatten, huschte ein junger Mann in Livree in das Zimmer und hinterdrein ein nicht enden wollender Strom an Bediensteten, die Kleidungsstücke, verhüllt in durchsichtige Plastikfolien hereintrugen. Man breitete Unterwäsche und Socken aus, wartete mit Dutzenden Paar Schuhe zur Anprobe auf.
    Am Ende stand er in einen schwarzen Frack gekleidet, mit Weste, einem Hemd mit gestärkter Piquébrust, Perlmuttknöpfen und Stehkragen sowie Fliege und Lackschuhen vor einem mannshohen Spiegel. Was er ungläubig bewunderte, war keineswegs sein festlicher Auftritt, der einem Staatsempfang zur Ehre gereichte, sondern sein nahezu faltenfreies Gesicht, das volle Haar, dessen schütteres Grau seinem kastanienbraunen Naturton gewichen war, die schnurgerade Haltung und das Funkeln seiner graugrünen Augen. Der Gesamteindruck, der ihn aussehen ließ,als hätte er maximal die fünfzig überschritten.
    Er war tot. Und das hier war entweder der Himmel oder die Hölle – was sich noch herausstellen musste. Nur … hatte man als Toter so einen Kohldampf? Sein Magen gab knurrende Geräusche von sich.
    Joshua sah im Spiegelglas Crichton hinter sich treten und wandte sich um. Neben der leicht angedeuteten Verneigung vollführte der Butler eine ebenso dezent ausholende Bewegung mit einer behandschuhten Hand. Joshua folgte dem Diener wie in Trance durch einen Gang. Die Fackeln an den Wänden wirkten so realitätsgetreu, dass er erst bei der zehnten am

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