Blutsvermächtnis (German Edition)
unehelichen Kind von einem Weißen … sie wird von unserer Gesellschaft geächtet werden. Kein anständiger Hispano wird sie mehr zur Frau nehmen. Ich werde für sie und das Baby sorgen müssen.“
„Werden Sie das hinkriegen?“
„Das ist das Problem. Ich habe ein anspruchsvolles Weib und fünf Rabauken. Wir haben erst vor einem Jahr dieses Haus gekauft … und der Lohn bleibt nun aus. Offen gesagt bin ich am Verzweifeln. Ich habe keine Ahnung, wie es weitergehen soll.“
Die Schultern des Mannes fielen nach vorn, sein Rücken krümmte sich. Er erinnerte Noah für einen Moment an ein Soufflé, das aus dem heißen Ofen genommen in sich zusammenfällt. Trauer und Mitleid durchfluteten ihn. Es war ihm bewusst gewesen, dass durch den Tod der Wissenschaftler Kummer über zwei weitere Familien hereingebrochen war. Dass die Auswirkungen solche Kreise zogen und noch mehr Menschen mit derart harten Folgen kämpfen ließ überstieg seine Befürchtungen.
„Da war etwas.“
Noah horchte auf.
„Die Sache mit dem Militär. Irgendetwas war nicht koscher. Das Überfallkommando auf das Camp und die blitzartige Abschiebung.“
„Was kam Ihnen daran merkwürdig vor?“
„Dieser Coronel. Varela. Sein Ausdruck. Er schien mir zu persönlich involviert, als dass er den neutralen Eindruck eines Staatsdieners in offiziellem Auftrag erweckte. Ich habe ihn nur zweimal gesehen. Als er das Lager räumen ließ und dann wieder am Flughafen. Ich fand es bereits ungewöhnlich, dass man uns so schnell abschob. Dazu mit einer Linienflugmaschine. Ich dachte, dass die Armee eigene Flugzeuge einsetzt.“
„Vielleicht. Das muss allerdings nichts bedeuten.“
„Ich weiß. Aber wäre es auch normal, dass ein Coronel das Flugpersonal besticht?“
„Wie kommen Sie darauf?“ Noah forschte in Santos’ Blick und dieser hielt seinem zum ersten Mal stand, als hätte Noah dem Wissenschaftler geholfen, neuen Mut zu finden.
„Ich habe Varela beobachtet, wie er einer Stewardess einen dicken Umschlag in die Hand gedrückt hat. Meiner Meinung nach enthielt er Geld. Eine Menge sogar.“
„Oh.“ Noahs Gedanken rasten. Möglicherweise hatte Santos mit seiner Vermutung recht. Korruption war in Chile kaum außergewöhnlich. Was, wenn gar nicht die Regierung hinter all dem steckte, sondern jemand, der die Macht hatte, hohe Stellen zu beeinflussen – das ergäbe einen ganz anderen Blickwinkel. „Fuck!“
Santos heiseres Auflachen brachte Noah zu Bewusstsein, dass er laut geflucht hatte. „Entschuldigung.“
„Don’t worry. Wir sollten einen Kanon draus machen und ihn lauthals in die Welt brüllen.“
José schob die Finger unter die Bank und zog einen Flachmann hervor. Als er ihn öffnete, schlug Noah der Geruch billigen Fusels entgegen. Sein Gesprächspartner nahm einen tiefen Zug und bot ihm die Schnapsflasche an, aber er lehnte dankend ab.
Immer mehr verdichtete sich ein zwanghafter Plan. Er musste in diese verfluchte Wüste, um herauszufinden, waswirklich passiert war. Das war er Dad schuldig.
„José …“ Noah fuhr sich durch die Haare, suchte nach Worten, damit seine Idee nicht zu überfallartig klang. „Würden Sie die Flugbegleiterin wiedererkennen?“
„Ich denke ja.“ Santos trank einen weiteren Schluck. „Warum?“
„Sagten Sie nicht gerade, Sie hätten Lust, den Kerlen den Arsch aufzureißen?“
„Yeah!“
„Dann lassen Sie uns keine Zeit verlieren und es gemeinsam tun.“ Jetzt war es raus. Noah hielt den Atem an, gespannt, wie der labil wirkende Mann reagierte.
José Santos schleuderte die Flasche von sich und sprang auf. „Worauf warten wir? Glauben Sie, man kann die Säcke verklagen und eine Entschädigung rausschlagen?“
Noah zuckte die Schultern. „Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht. Ich fürchte jedoch, dass das schwierig wird.“
„Ich werde der Sache auf den Zahn fühlen. Wenn ich den Beweis ranschaffe, dass Mikas Tod nicht mit einem Verbrechen zusammenhängt, an dem er beteiligt war, zahlt möglicherweise die Lebensversicherung doch.“
Plötzlich konnte es Noah nicht schnell genug gehen.
„Ich werde mal meine bessere Hälfte informieren.“ Santos bückte sich, hob die Glasflasche auf und marschierte davon.
Ja, fügte Noah in Gedanken hinzu. Und ich meinen Lebenspartner. Das bedeutete eine endlose Diskussion. Er hörte schon Jaydens Argumente, ihn von der Reise abzuhalten, triefend vor Eifersucht.
Ranua, Finnland
O bwohl sie wusste, welch bitteren Geschmack ihr der Ausflug bereiten würde,
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