Blutsvermächtnis (German Edition)
zog diese an ihre Lippen. „Cariño mio.“ Ihr warmherziger Ausdruck traf Nevaeh mitten ins Herz. „Willst du mir jetzt wenigstens einen Augenblick zuhören?“
Der Ausdruck ihrer schwarzen Augen hatte etwas von einem Hundeblick. Getreu und ergeben, flehend, um Aufmerksamkeit bettelnd. Nur ein harter Panzer versetzte einen in die Lage, wehrhaft und unnachgiebig zu bleiben. Nevaeh musste es dennoch schaffen, ihr blieb keine Wahl. Sie wusste, worauf Catalina hinauswollte. Sie würde sie beknien, sich ihre Entscheidung noch einmal zu überlegen. Umzukehren nach Ranua, um das Gespräch mit Jayden zu suchen. Das war ein Ding der Unmöglichkeit. Obwohl sie sich fest vorgenommen hatte, ihre nächsten Handlungen sorgfältiger zu überdenken, sah sie sich erneut in der Zwangslage, schnell und dementsprechend intuitiv zu entscheiden. Sie antwortete ein wenig zu hastig, als Catalina zum Weitersprechen ansetzte.
„Sei mir nicht böse, Catalina. Ich kann mich nicht mit Erklärungen aufhalten. Ich muss handeln. Und ich werde Jayden Caball nicht treffen und keinesfalls mit ihm reden. Das ist es, was du sagen möchtest, nicht wahr?“
Die alte Dame nickte. Sie wirkte müde. „Es wäre aber besser.“
Nevaeh schüttelte den Kopf und löste den Sicherheitsgurt. Sie öffnete die Fahrertür, zog den Fahrzeugschlüssel ab.
„¡Si quieras o no, por Dios! Escúchame bien, guapita. Jayden no es la persona que finge ser.“
„Ich weiß das doch.“ Nevaeh flüsterte heiser. „Er war nie das, wofür er sich ausgegeben hat. Und bitte, Catalina … lass uns das Thema jetzt begraben.“
„No hay peor sordo que el que no quiere oír.“ 7 Eine dicke Träne kullerte Catalinas gerötete Wange hinab.
Die Worte ihrer Ex-Nanny tobten nachhaltig in Nevaehs Gedanken, während Catalina bereits hoch über den Wolken Richtung Kalifornien schweben musste und Nevaeh in Paris auf ihren Anschlussflug nach Chile wartete.
„Nevaeh.“
Gott, sie bekam fast einen Herzinfarkt.
„Sei ganz ruhig, Kleines. Catalina hat mich angerufen und ich bin euch sofort mit dem nächsten Flugzeug gefolgt.“
Oh, diese verdammte …
Escúchame bien, guapita. Hör mir gut zu, Dummerchen
.
„Hör mir zu. Es ist wichtig. Jayden in Los Angeles ist nicht der, für den er sich ausgibt.“
Jayden no es la persona que finge ser
. Die Knochen in ihren Beinen schienen sich zu verflüssigen. Sie wollten sie weder flüchtend vor dem trainierten, athletischen Körper forttragen noch sie in der Senkrechten halten. Das Stimmengewirr der Flughafenbesucher, eine Ansage aus den Lautsprechern, die Musik aus dem Bistro wenige Yards entfernt gerieten zu einem verschwommenen Rauschen, das sich wie Watte um ihren Kopf legte. Jayden hielt sie fest, ehe sie zusammensackte. Er führte sie zu einer Reihe von Sitzplätzen. Sie glitt nieder, unfähig, einen Satz oder nur einen Ton aus ihrer zugeschnürten Kehle zu pressen.
„Er ist mein Zwillingsbruder. Sein Name ist Jason.“
Jayden sank neben Nevaeh auf die Bank, umfasste ihre Fäuste und spürte mit jeder Sekunde, wie das Blut daraus wich, wie eisige Kälte die feingliedrigen Finger versteifte. Heilige Maria, was musste Jason getan haben, dass sie starr vor Entsetzen und Panik reagierte.
„Ich habe ihn seit zehn Jahren nicht gesehen. Er verschwand spurlos, nachdem ich aus L. A. zurückgekehrt bin. Wir hörten nie wieder von ihm.“
Die Lebendigkeit kehrte schlagartig in Nevaeh zurück. Der Schock in ihren Augen gab erzürntem Aufruhr Platz.
„Warum sollte ich dir glauben? Aalst du dich in deiner Selbstherrlichkeit? Du hast meiner Familie und mir genug angetan.“
Jayden atmete tief durch. Er hatte diese Frau einmal geliebt. Mehr, als ihm lieb war. Mehr, als sein Vater ertragen hätte. „Ich war mindestens ebenso überrascht wie du, dass wir uns am See begegnet sind. Als du mit dem Ski-doo geflohen bist, wollte ich nach dem Rechten sehen. Catalina hat mir einiges erzählt. Ich fürchte, Noah ist in Gefahr. Und du auch.“
Mit einem Ruck entriss sie ihm ihre Hände. „Und du verdammter Mistkerl meinst, das wäre mir nicht klar?“ Sie sprang von ihrem Sitzplatz auf. „Für wie blöd hältst du mich? Du bist ein … ein … Monster! Was ziehst du hier für eine Show ab, Jayden?“ Sie stolperte zwei Schritte rückwärts. Ihre Stimme überschlug sich, glitt ab in einen hysterischen Schrei. „Verschwinde aus Noahs Leben. Verschwinde aus meinem Leben.“ Sie drehte sich um und rannte los.
Jayden beeilte sich, ihr
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