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Blutsvermächtnis (German Edition)

Blutsvermächtnis (German Edition)

Titel: Blutsvermächtnis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathy Felsing
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links vor ihr, das sie zunächst als Felsen einordnete, entpuppte sich als Geländewagen. Sie kroch darauf zu, öffnete die Tür und zog sich auf den Sitz. Benommen tastete sie nach dem Zündschlüssel. Er steckte.
    Erleichterung durchflutete sie und gleichzeitig die schaurige Gewissheit, kein Déjà-vu zu erleben. Dies war die Realität, die Erinnerung an etwas ähnlich Erlebtes keineswegs eine Täuschung. Wo waren Dad und Maria? Sie schaltete Zündung und Scheinwerfer ein. Die erwachende Wüste schälte sich aus der Dunkelheit, verschreckte Insekten und ein Gecko huschten davon und suchten Sicherheit. Am liebsten wäre sie der Echse in ihr Versteck gefolgt. Angst bebte unter ihrer Haut. Panik verursachte einen heftigen Adrenalinstoß. Gott, wo war sie? Wie kam sie hierher? Lagen Dad und Maria sterbend in der Finsternis? Ihre Erinnerung setzte an dem gruseligen Punkt aus, als Dad sich in das Handgelenk ritzte. Der Ekel, als sie sein Vorhaben erkannte. Was hatte ihn bloß veranlasst, eine so unsinnige Handlung zu begehen? Wie sollte eingeflößtes Blut Maria helfen? Die Fragen überfielen sie mit niederzwingender Macht. Nevaeh ließ den Kopf auf das Lenkrad sinken.
    Sie spürte, dass ihr Geist haarscharf an der Grenze zum Wahnsinn stand. Irgendetwas fehlte in ihrer Erinnerung. Wo kam Dad plötzlich her? Dad – und doch nicht Dad. Eine um zwanzig Jahre verjüngte Ausgabe. Hirngespinste? Einsetzender Irrsinn? Langsam, sie musste der Reihe nach vorgehen, klar nachdenken. Die Stunden in Elias Gesellschaft – das Erdbeben – ihre Flucht – Dads Auftauchen – Marias Rettung – die Tiefgarage. Und plötzlich erwachte sie in der Wüste neben einem fremden Fahrzeug.
    Sie krallte die Hände in ihr Haar und verhedderte sich in einem Drahtgeflecht. Diese Rokoko-Frisur. Keine Einbildung. Langsam lehnte sie sich in dem Sitz zurück und betrachtete ihren Körper. Ein Leinenhemd. Die Chemise. Keine Einbildung. Ihre blutenden und verschmutzen Füße. Die Flucht nach den Erdstößen – keine Einbildung. Folglich waren ihre Erinnerungen real – so verrückt das Auftauchen ihres um zwanzig Jahre verjüngten Vaters auch anmutete. Hatte er an irgendwelchen Experimenten teilgenommen? Ein erneuter Adrenalinstoß presste ihr die Luft aus den Lungen. Sie röchelte. Stand Dad mit den Vorkommnissen wesentlich tiefer in Zusammenhang, als sie sich vorstellen konnte? Möglicherweise hatte er eigens dazu beigetragen, dass die Expedition ein vorzeitiges Ende fand, um seinen Tod vorzutäuschen.
    Oh nein, ihr Vater war kein Mörder. Selbst wenn er solch verquere Pläne … Niemals! Nicht unter Inkaufnahme, dass es Tote gab. Und warum sollte ihm dann daran gelegen sein, andererseits Leben zu retten? Irreal. Das alles kam ihr so verkehrt vor. Welcher vernünftige Mensch glaubte, auf diese Art eine Bluttransfusion vornehmen zu können? Ganz bestimmt nicht Dad. Sie hatte ihn geliebt für seine Verrücktheit, seine Späße, seine Komik. Auch wusste sie, dass er manchmal eigensinnig und starrköpfig war – doch letztlich blieben seine Handlungen immer vernunftorientiert. Kalkuliert. Wachsam. Ihm steckte der Soldat in den Knochen. Wo mochte er sein?
    Sie lauschte in die Nacht, hörte nur ihren Atem als überlautes Rasseln. Nach einer Weile sah sie ein, dass sich keine menschlichen Töne aus der elenden Stille hervorhoben. Sie wollte schreien, der grauenvollen Geräuschlosigkeit entkommen, doch ihre Kehle schien wie gelähmt. Eingefroren, wie ihre Glieder und ihr Verstand.
    Nevaeh startete den Motor und drehte den Heizungsregler auf volle Leistung. Hatte sie etwa doch geträumt? Sie musste die Barriere in ihrem Unterbewusstsein durchbrochen haben und alle Erlebnisse hatten sich nur in ihrer Fantasie abgespielt. Die Schießerei. Jaydens Verletzung. Das war real.
    Sie hatten ihre Zelte in der Wüste aufgeschlagen. Saß sie im Leihwagen ganz in der Nähe? Aber dies war nicht das Fahrzeug, das sie mit Jayden in Calama angemietet hatte. Und ihr Auftritt fügte sich nicht in das Bild. Die Verwirrung wuchs. Plötzlich wusste sie überhaupt nichts mehr. Sie schaffte es nicht, zu unterscheiden, was sie tatsächlich erlebt hatte und was möglicherweise ihrer Einbildung entsprang. Der logische Menschenverstand weigerte sich vehement zu glauben, dass sie tatsächlich ihrem Vater begegnet sein konnte. Hätte er ausgesehen wie in ihrer Erinnerung – ja. Aber nicht in dieser Verwandlung. Das gab es nicht. Das war unmöglich. Folglich mussten die

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