Blutsverwandt: Kriminalroman (German Edition)
erwirken.«
Reynolds nickte. »Das scheint mir das Vernünftigste zu sein«, sagte er knapp und beendete die Besprechung. Er hatte es eilig. Er wollte zu der Verabredung mit seiner Frau im Restaurant Salute an der Madison Avenue nicht zu spät kommen.
Moore dagegen griff zum Telefonhörer und wählte Ted Morrisons Mobilnummer.
Ich muss es schaffen! Ich muss hier raus …
Zur selben Stunde versuchte Diego, ein Glied seiner Eisenkette durchzusägen.
Er bearbeitete sie mit dem Stein, den die Bewacher ihm zum Anzünden der Streichhölzer dagelassen hatten und der an den Seiten recht scharfkantig war. Anfangs hatte er Zweifel, ob es ihm gelingen würde, doch nach hartnäckigem Probieren merkte er, dass er Fortschritte machte.
Ja, ich muss es schaffen, ich werde es schaffen …
Entschlossen sägte er weiter.
Ich darf jetzt nicht aufgeben … Ich schaffe es … jetzt oder nie!
Montag, 17. November
GIUSEPPE FERRANTE GEFASST, UNTERGETAUCHT SEIT 1991. DER ’NDRANGHETA-BOSS WURDE WÄHREND EINES GEMEINSAMEN EINSATZES DER DIA UND DES FBI ÜBERRASCHT.
Auf der Titelseite der Tageszeitung La Gazetta del Sud von diesem Montag verkündete eine sich über die gesamte Breite erstreckende Überschrift den Ausgang der Operation Bergamottblüte.
In der Nacht von Samstag auf Sonntag haben Beamte der DIA und des amerikanischen FBI ein Mafia-Gipfeltreffen gestört, das auf dem Gutshof des Unternehmers Antonio Russo stattfand. Groß war ihre Überraschung, als sie sich dem nicht zu fassenden kalabrischen Mafiaboss par excellence, Giuseppe Ferrante, genannt Don Peppino, gegenübersahen und ihn verhaften konnten.
Nach Don Peppino Ferrante wurde seit Dezember 1991 gefahndet, als er bei einer Polizeirazzia fliehen konnte, bei der die Führungsspitze der ’Ndrangheta von Reggio Calabria verhaftet wurde. Den Bossen wurde zur Last gelegt, für eine endlose Reihe von Morden verantwortlich zu sein, die die Straßen der Hauptstadt und mehrerer Provinzzentren mit Blut befleckt hatten.
Eine Besonderheit wirft allerdings Fragen auf: das Mitwirken von Agenten des amerikanischen Federal Bureau of Investigation bei der höchst erfolgreichen Polizeioperation.
Der Polizeipräsident von Reggio Calabria wollte sich nicht dazu äußern, legte aber Wert darauf zu betonen, dass ihm nichts von einer solchen Beteiligung bekannt sei.
Eine vertrauenswürdige Informationsquelle dieser Zeitung hat jedoch das Gegenteil bestätigt. Anscheinend steht die transatlantische Kooperation im Zusammenhang mit den am 2. November dieses Jahres in New York verübten Morden …
Im Folgenden führte der Artikel die Namen der Opfer und einige Details des Massakers auf.
Im Frühstücksraum seines Hotels faltete Commissario Ferrara die Zeitung wütend zusammen. Diese Arschlöcher! Der Bericht trug noch nicht einmal einen Verfassernachweis. Was war das für eine Informationsquelle, wer konnte das sein?
Ferrara zog das Handy aus der Innentasche seines Jacketts und tippte die Nummer des Colonnello ein. Nicht erreichbar. Er sah auf seine Armbanduhr: 7.50 Uhr. Gleich würde sein Fahrer kommen.
Irgendwo waren Nachrichten durchgesickert, kein Zweifel. Was im Übrigen vorauszusehen gewesen war. Was man nicht hatte voraussehen können und ihm am meisten Sorgen bereitete, war die Erwähnung der Anwesenheit von FBI -Agents, die möglicherweise zu einer erheblichen Behinderung der Ermittlungen führen würde.
Er verließ das Hotel und wartete vor dem Eingang auf den Fahrer. Er wollte keine Zeit verlieren.
Aus einem Auto mit einem jungen Mann am Steuer, der gerade mit Hochgeschwindigkeit vorbeiraste, scholl ihm das Lied Vita spericolata von Vasco Rossi entgegen. Sentimental flogen seine Gedanken zu den frühen Achtzigerjahren zurück, als er mit Petra öfter eine Diskothek in Taormina besucht hatte.
Im ersten Morgengrauen war es Diego endlich gelungen, sich zu befreien.
Der durchgesägte Kettenring baumelte nun von dem an der Wand angebrachten Haken.
Er war vollkommen erschöpft und zog es erst gar nicht in Erwägung, auch das Vorhängeschloss zu sprengen, mit dem seine Beine gefesselt waren. Das hätte seine Kräfte überstiegen. Er würde sich trotzdem fortbewegen können, wenn auch nur mit kleinen Schritten. Er wickelte das Ende der Kette auf, steckte es in eine Tasche der Windjacke und näherte sich fast auf dem Boden kriechend der Tür. Langsam zog er sie auf. Kein Mensch. Keine Stimmen. Er sah sich gründlich um. Kein Sonnenstrahl. Nur Wolken. In einiger
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