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Blutsverwandt: Kriminalroman (German Edition)

Blutsverwandt: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Blutsverwandt: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michele Giuttari
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und sei es nur, dass der Betreffende eine ansehnliche Geldsumme aus dem Topf für Informanten zu erhalten hoffte.
    Als er vor der Kirche ankam, bemerkte er eine lange Reihe von Menschen entlang des Geländers, die andächtig schweigend darauf warteten, durch den Haupteingang eingelassen zu werden. Sein Blick schweifte über die Botschaften von Angehörigen und die Fotos von Vermissten des 11. September.
    Er ging daran vorbei.
    Das Gebäude links umrundend, schlenderte er zwischen den Sitzbänken vor der Außenmauer und der Grünfläche mit den ersten Gräbern des kleinen Friedhofs weiter.
    Ein leichter Dunst hüllte die Wipfel der Bäume ein und schien sich auch auf die Grabsteine senken zu wollen.
    An der Rückseite angekommen, blieb er einen Augenblick stehen. Vor ihm lag Ground Zero, eine enorme Brachfläche, die immer noch nach dem Blut Unschuldiger roch. Er sah zu der großen Glocke hin, vor der eine Tafel mit der Aufschrift »Glocke der Hoffnung« stand. Sie thronte auf einem wuchtigen Sockel aus Stein und war direkt gegenüber dem Hinterausgang der Kirche, praktisch in der Mitte des Friedhofs, als Erinnerung an die Opfer aufgestellt worden.
    An dem Sockel lehnte ein Kranz aus weißen und roten Blumen.
    Niemand hielt sich in der Nähe auf. Die Besucher waren alle im Innern der Kirche und beteten oder lasen die Namen der bei dem Attentat umgekommenen Menschen auf den Zetteln an den Wänden. Diese Zettel hatten Verwandte und Freunde angebracht, damit die Toten nicht vergessen wurden.
    Unauffällig ging Moore auf die Glocke zu und legte dabei die Hand auf den Knauf seiner Pistole. Er konnte nicht ausschließen, dass der Unbekannte ihm eine Falle stellte. Der Ort würde sich jedenfalls dafür anbieten. Vor dem Sockel angekommen, kniete er sich hin und tat so, als würde er einen Schnürsenkel zubinden, wobei er noch einen letzten Blick in die Runde warf. Dann spähte er in den Blumenkranz hinein und entdeckte einen kleinen Plastikbeutel darin. Er schien etwas zu enthalten. Moore streifte einen Latexhandschuh über, zog den Beutel mit unbeteiligter Miene heraus und steckte ihn in eine Beweismitteltüte, die er anschließend in die Innentasche seines Mantels schob.
    Noch einmal sah er sich um. Nichts Verdächtiges. Und doch beobachtete ihn jemand, da war er sicher. Vielleicht von der anderen Straßenseite aus, jenseits des Eisengeländers, das den Friedhof begrenzte. Er betrat die Kirche durch den hinteren Eingang und ging unter den von oben herabhängenden Fahnen hindurch, zwischen denen auch ein paar mit Sternen, Blumen, Bäumen und den Worten »Hoffnung« und »Der Friede sei mit euch« bemalte Tücher hingen. Wahrscheinlich das Werk jugendlicher Hände. Dann durchquerte er das Kirchenschiff, indem er sich auf der linken Seite hielt, wo sich weniger Menschen aufhielten. Er kam am Altar vorbei, der sich im Eingangsbereich befand, verglichen mit traditionellen Kirchenanlagen also am entgegengesetzten Ende. Nachdem er flüchtig eine kleine Touristengruppe gemustert hatte, die sich um den Stuhl scharte, auf dem George Washington zu beten pflegte, bahnte er sich einen Weg zwischen den durch den Haupteingang hereindrängenden Besuchern hindurch.
    Draußen bog er in die Fulton Street ein und erreichte die nahe gelegene Church Street. Vor dem Millennium Hilton blieb er einen Moment stehen, um über die Abbruchstelle von Ground Zero zu blicken, auf der sich einst majestätisch die Zwillingstürme erhoben hatten. Dann ging er noch einmal ganz um die Kirche herum, sah aber keine verdächtige Person oder irgendetwas sonst, das seine Aufmerksamkeit erregt hätte. Langsam spazierte er die Church Street entlang. Er konnte nun in seiner Wachsamkeit nachlassen – auch wenn er wusste, dass das Spiel gerade erst begonnen hatte – und sich einen Kaffee und einen Donut gönnen. Kurz darauf setzte er seinen Weg zur Worth Street fort. Nach kaum einer Stunde war er wieder im Büro.

    Das Spiel.
    Katz und Maus.
    Wer war die Katze, wer die Maus?
    Moore zog seinen Mantel aus, setzte sich an den Schreibtisch und atmete tief durch. Er zog ein frisches Paar Latexhandschuhe über, holte den Plastikbeutel aus der Beweismitteltüte und öffnete ihn. Darin befand sich ein offensichtlich computergeschriebener Brief, der an ihn adressiert war.

    Director Moore,
    danke, dass Sie gekommen sind, aber vergeuden Sie bitte keine Zeit damit, herausfinden zu wollen, wer ich bin. Ich denke, Sie haben bereits zu viel Zeit verloren. Im geeigneten Moment

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