Blutsverwandt: Kriminalroman (German Edition)
das Beste aufgetischt: eine gut gewürzte Lasagne frisch aus dem Ofen und ein langsam über der Glut des Kamins gebratenes Zicklein mit Röstkartoffeln als Beilage.
Es herrschte eine entspannte und gemütliche Atmosphäre.
Don Ciccio und Franco Giardina waren alte Freunde und hatten als junge Männer gemeinsam viele Abenteuer bestanden. Oft hatte man sie im nahen Reggio zusammen die bekanntesten Restaurants der Stadt betreten sehen, jedes Mal in Begleitung anderer Frauen. Don Ciccio war meistens derjenige gewesen, der in die Tasche griff und bezahlte. Schon damals hatte er reichlich Geld.
Franco Giardina war seit vielen Jahren Bürgermeister und würde es gewiss auch in Zukunft bleiben. Jedenfalls solange Don Ciccio am Leben war.
Nun, nachdem sie ein Stück von der Torta Mimosa verspeist hatten, die die Gäste mitgebracht hatten, sprachen Don Ciccio und der Bürgermeister bei einer dampfenden Tasse Espresso über die jüngsten Ereignisse.
Ihr Ton war gedämpft.
»Was für ein schwerer Verlust für die Familie Fedeli, Roccos Tod«, sagte Franco Giardina, ein kleiner, dicklicher Mann, dem seine Vorliebe für gutes Essen anzusehen war.
»Das kannst du laut sagen, Franco. Ein schwerer Verlust.«
»Ein guter Sohn …«
»Gewesen … gewesen …«
Mit der Hand vor dem Gesicht schien Don Ciccio sich eine schon ad acta gelegte Vergangenheit in Erinnerung rufen zu wollen.
»Warum sagst du ›gewesen‹, Ciccio?«
»Ach, weißt du, ich bin alt und kann mich manchmal einfach nicht mehr so gut ausdrücken. Komm, lass uns eine schöne Partie Karten spielen.«
Und so fingen sie an, Tressette zu spielen.
»Sag mal, was soll das denn?«, herrschte Franco Giardina den Freund mittendrin an, als er die Karte sah, die dieser gerade ausgespielt hatte. Ein solcher Fehler sah ihm gar nicht ähnlich.
»Entschuldige, ich bin nicht ganz bei der Sache.«
An diesem Tag war Don Ciccio mit den Gedanken offenbar woanders.
Unterdessen widmeten sich die Frauen in der Küche dem Klatsch. Grazia und Vanna waren auch schon ihr ganzes Leben lang miteinander befreundet. Sie waren zusammen aufgewachsen und hatten beide ihren Traum verwirklicht, einen »Ehrenmann« zu heiraten, sprich einen Getreuen der Mafia. Grazia war winzig und mager und hatte schwarze,mittlerweile gefärbte Haare, die sie zu einem voluminösen Knoten aufgesteckt trug, ihre Frisur von jeher. Vielleicht, damit sie ein bisschen größer wirkte. Um ihren Hals lag eine echte Perlenkette, mit der sie sich nur zu besonderen Gelegenheiten schmückte. Im Unterschied zu ihrer Freundin war sie völlig ungeschminkt.
»Hast du gesehen, wie würdevoll Angela in der Kirche aufgetreten ist? Sie trug noch nicht einmal einen Schleier um den Kopf …«
Vanna war im gleichen Alter wie Grazia und ebenfalls klein, aber sehr rundlich. Somit passte sie perfekt zu ihrem Mann. Ihre Haare waren schlohweiß. Sie trug eine Garnitur – Ring, Halskette, Ohrringe – aus Diamanten. Vanna versuchte sich in der Küche nützlich zu machen und räumte die Teller, die Grazia ihr reichte, in die Geschirrspülmaschine, nachdem sie sie zuerst unter fließendem Wasser abgespült hatte.
»Natürlich, Angela ist ja auch eine Frau von Ehre, wusstest du das nicht? Also, mich hat das überhaupt nicht erstaunt. Ich kenne sie, seit sie noch in den Windeln lag, genau wie du«, entgegnete Grazia.
»Sie hat keine einzige Träne vergossen! Ich meine, drei Brüder …«
»Was redest du denn da? Weißt du etwa nicht, dass Tränen um Tote verlorene Tränen sind? Wenn du so sprichst, erkenne ich dich manchmal gar nicht wieder …«
Vanna schwieg betreten.
Angela Fedeli war möglicherweise dabei, sich über das Klischee der Frauen der ’Ndrangheta hinwegzusetzen, die als stille, passive Komplizinnen die Aktivitäten der »Familie« mittrugen. Vielleicht würde sie zu einem Boss auf Augenhöhe mit den Männern werden, indem sie den Kommandostab übernahm. Eine Frau, der man Achtung erwies.
Vanna und Grazia wechselten das Thema und tratschten über andere gemeinsame Freundinnen aus dem Dorf. Das taten sie immer, wenn sie zusammenkamen. Fast jeden Sonntag. Mal bei der einen, mal bei der anderen.
Währenddessen spielten die Männer weiter Tressette.
Es war ein strahlender Tag, und die Sonne ergoss ihr klares, heiteres Licht über den ganzen Himmel.
Die Maschine des Flugs AZ 1155 der Alitalia aus Rom Fiumicino setzte zur Landung an. Nach einigen Minuten konnten die Passagiere durch die Fenster das Blau des
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