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Blutsverwandt: Kriminalroman (German Edition)

Blutsverwandt: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Blutsverwandt: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michele Giuttari
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Meeres erkennen. Sie überflogen in abnehmender Höhe die sizilianische Küste und die Stadt Messina, die noch so winzig waren, dass man sie mit einem Blick umfassen konnte. Dann überquerten sie die Meerenge und hielten direkt auf den Flughafen von Reggio Calabria zu.
    Der Flughafen liegt zwischen Meer und Bergen. Seine Lage ist jedoch nicht optimal, besonders wenn der Schirokko aus Afrika stark bläst. Dann gestaltet sich die Landung schwierig, und die Passagiere bekommen das Gefühl, in einer Achterbahn zu sitzen. Wenn eine Landung gar unmöglich ist, werden die Flugzeuge zu den nächstgelegenen Flughäfen umgeleitet, denen von Catania und Lamezia Terme. Von dort aus kann man manchmal ein außergewöhnliches Schauspiel erleben.
    An klaren Tagen wie diesem wirkte die Küste Siziliens geradezu durchscheinend, und der majestätische Ätna präsentierte sich mit einer Schneekappe auf dem Gipfel. In seinen Ruhephasen erinnerte der Vulkan an einen schlafenden alten Mann, doch wenn er plötzlich erwachte,wurde er zu »Charon, dem Dämon mit zornsprühenden Augen«, wie es bei Dante heißt. Aus seinen Mäulern spie er Ströme glühender Lava, die zu Tal flossen und dabei einen überaus faszinierenden, für die Bewohner der umliegenden Dörfer oft auch Furcht einflößenden Anblick boten.
    Beim Sinkflug kurz vor der Ankunft konnten die Passagiere sogar einzelne Häuser unterscheiden. Fast alle waren sie nur halb fertig und unverputzt, als wären die Bauarbeiten noch nicht abgeschlossen. Wer sich aber in der Region auskannte, wusste, dass sie schon wer weiß wie lange in diesem Zustand waren und es wer weiß wie lange noch bleiben würden. Er wusste, dass unerlaubte Bautätigkeit in dieser Stadt eine alltägliche Angelegenheit war, geradezu ein natürliches Bedürfnis in einem Gebiet mit hoher Kriminalitätsrate.
    Das Flugzeug, das mit circa einer Stunde Verspätung eintraf, rollte über die Landebahn zu seiner Parkposition. Nach dem Aussteigen erreichten die Reisenden die Ankunftshalle zu Fuß. Unter ihnen waren die Amerikaner, zwei Beamte der DIA Rom und Stefano Carracci. Dieser hatte vom Polizeichef grünes Licht dafür erhalten, sich mit seinen Mitarbeitern an der Task Force zu beteiligen, allerdings unter der Voraussetzung, dass er selbst die Arbeitsgruppe leitete und jede Neuigkeit von Bedeutung dem Sondersekretariat des Dezernats für öffentliche Sicherheit mitteilte.
    Ferrara hatte diese Anweisung Guaschellis notgedrungen akzeptiert, um es nicht zum offenen Bruch kommen zu lassen und bei den amerikanischen Kollegen keinen schlechten Eindruck zu erwecken. Er hatte beschlossen, in seinem Büro in Rom zu bleiben und mit seinen Mitarbeitern telefonisch Kontakt zu halten.
    Die kleine Gruppe wurde von Fahrern abgeholt und mit zwei Autos zum nicht weit entfernten Sitz der DIA gebracht. Wenigstens in diesem Punkt hatte der Polizeichef nachgegeben: Die Operationsbasis der Task Force würde die Dienststelle in Kalabrien sein.

    Die Ermittlungszentrale zur Bekämpfung der Mafia befand sich in einem frei stehenden Gebäude am südlichen Stadtrand. Sie lag praktisch am Strand, in einiger Entfernung von anderen Häusern, aber nicht weit genug entfernt, um vor neugierigen Augen und Ohren geschützt zu sein. Hier boten noch nicht einmal die Mauern ausreichende Sicherheit.
    Vor dem Eingang erwartete sie der Leiter der Zentrale, Felice Trimarchi. Er war ein Colonnello der Carabinieri, hochgewachsen, imposant, sechzig Jahre alt, mehrfach ausgezeichnet für zahlreiche Aktionen gegen die ’Ndrangheta und davor gegen die sizilianische Cosa Nostra.
    »Sehr erfreut, Sie hier zu haben«, sagte er zu jedem der Ankömmlinge, dem er sich vorstellte und die Hand schüttelte.
    Ein fester Händedruck, ganz der eines entschlossenen Befehlshabers.

New York
    Kurz vor sieben Uhr morgens erhielt Dick Moore einen Anruf.
    An diesem Sonntag stand die Abreise mit seiner Frau nach Vermont auf dem Programm, wo sie einige Urlaubstage verbringen wollten. Das machten sie jedes Jahr im Herbst,wenn die Natur eines ihrer prächtigsten Schauspiele inszenierte: den Indian Summer in den großen Wäldern, vor allem die herbstliche Färbung der Ahornbäume. Ein einzigartiges Farbenspiel, ein wahres Freiluftkunstwerk. Die Straßen, Wiesen und Wälder leuchteten in allen Schattierungen von Gelb, Orange, Rot und Braun.
    Als er abnahm, ahnte er noch nicht, dass er seine Pläne würde ändern müssen. Es war der Telefonist seines Büros, der ihm mitteilte, dass ein

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