Blutsverwandt: Kriminalroman (German Edition)
blutunterlaufen. Er trug eine Hausjacke aus bordeauxroter Wolle zu einer dunkelblauen Kaschmirhose.
In den Blicken seiner Vertrauten war die gespannte Frage nach dem Grund für diese Versammlung zu lesen.
»Sie haben eine Task Force gebildet, so eine beschissene Sondereinheit. Haben es sich in den Kopf gesetzt, uns Scherereien zu machen, und das nur, um vor den Amerikanern gut dazustehen. Macht euch gefasst auf Durchsuchungen, Beschlagnahmen, spezielle Überwachungsmaßnahmen. Auch die Verbindungen zu unseren kolumbianischen Freunden werden gestört werden, verdammte Scheiße!«
Er war fuchsteufelswild. Plötzlich sprang er auf und begann nervös auf und ab zu laufen. Dann blieb er bei einem Tischchen stehen und schenkte sich mit so viel Schwung ein Glas Cognac ein, dass es überlief. Er führte es zum Mund und trank es in einem Zug aus. Ein bitterer Nachgeschmack blieb zurück. Seine drei Getreuen saßen nach vorn gebeugt und mit weit aufgerissenen Augen da und hingen an seinen Lippen. Auf ihren von mehr oder weniger tiefen Falten durchzogenen Gesichtern war keine Spur des alten Übermuts mehr zu finden. Keiner sprach. Die Informationsquellen des Capo hatten sich immer als zuverlässig erwiesen. Sie tranken ihren Cognac.
»Ich will nicht, dass sich wiederholt, was in den Achtzigern und Neunzigern passiert ist«, fuhr der Boss fort, »als diePolizei und die Carabinieri unsere Gebiete besetzt hatten, um gegen die Entführungen vorzugehen. Ich habe schon eine Botschaft an den zuständigen … na ja, eben an den Zuständigen geschickt … Ich habe ihn darauf hingewiesen, dass Gefahr besteht, dass der Friede der letzten Jahre gebrochen wird. Und ihr wisst, worauf ich damit anspiele.«
Alle nickten. Sie hatten verstanden. Sie erinnerten sich noch gut an jene Jahre, als sie gezwungen waren, sich tagelang in ihren Häusern oder in sicheren Verstecken zu verkriechen.
»Ich werde demnächst nach Spanien fahren und wollte euch darüber informieren, dass sich Verschiedenes ändern könnte. Von einem Moment auf den anderen. Das bedeutet, dass ihr wachsam sein müsst, ihr müsst euch bereithalten, falls ich anrufe oder etwas Unvorhergesehenes passiert. Euren Handlangern sagt ihr aber noch nichts, kontrolliert sie nur noch strenger als gewöhnlich. Denkt immer daran, was ich euch gesagt habe.«
Die drei nickten wieder.
»Und dann wäre da noch etwas, worüber ich mit euch reden wollte. Wir müssen so bald wie möglich eine Frage klären.«
Keiner der Männer sagte etwas. Doch ihre Augen, die sie auf den Boss gerichtet hatten, sprachen Bände: Sie wussten genau, was er meinte.
New York
18.00 Uhr.
Er hatte nicht angerufen!
Keinerlei Nachricht!
Fassungslos schüttelte er den Kopf.
Er war die Liste der eingegangenen Anrufe schon mehrmals durchgegangen.
Hatte über das Display vor- und zurückgeblättert.
Nichts.
Der Anruf, auf den er so dringend wartete, war nicht dabei.
Dick Moore saß in seinem Büro, das Gesicht zwischen den Händen, die Ellbogen auf die Knie gestützt, und dachte über den Vormittag nach. Ein langer, tiefer Seufzer entrang sich ihm. Seine Intuition hatte ihn im Stich gelassen. Er hatte an diesem Sonntag keine weitere Botschaft erhalten. Der Unbekannte war wieder zu einem Phantom geworden. Offenbar war er gerissener als vermutet.
Zwischendurch hatte Moore mehrmals zu Hause angerufen, aber es war niemand rangegangen. Das überraschte ihn nicht: Bei ihrem Streit hatte Jenny damit gedroht, ihn zu verlassen. Das hatte sie zwar schon öfter gesagt, doch diesmal war es keine leere Drohung gewesen, das wusste er.
Moore hielt sich nicht allein im Sitz des FBI auf. Ein paar wenige diensthabende Agents waren damit beschäftigt, Berichte über das ausgebrannte Auto abzufassen und die entsprechenden Datenbanken zu konsultieren, um festzustellen, ob es als gestohlen gemeldet war. Sein Telefon klingelte.
Bevor er den Hörer abnahm, schaltete er das Aufnahmegerät ein. Er war überzeugt, dass es der anonyme Anrufer war.
Er irrte sich. Es meldete sich ein Techniker von der CSU .
»Ein Taxi, es handelt sich um ein Taxi«, verkündete dieser.
Und lieferte gleich das Kennzeichen und den Namen des Fahrzeughalters mit, der in Brooklyn gemeldet war.
»Aha!«
»Es ist gestohlen worden.«
»Wann?«
»Am Morgen des 1. November.«
»Wo?«
»In der Bronx.«
»Wann ist der Diebstahl angezeigt worden?«
»Noch am selben Morgen.«
»Habt ihr irgendetwas gefunden, was uns weiterbringt?«
»Leider nichts
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