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Bluttat

Bluttat

Titel: Bluttat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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zwischen fünfzehn und siebzehn. Sechs Mädchen hispanischer Herkunft, eins schwarz, eins weiß.
    Der Raum roch nach Hormonen, Kaugummi und Gesichtscreme.
    Valerie Quezada saß auf dem hinteren linken Bett. Sie rutschte hin und her, rollte die Schultern und spielte mit den Enden ihrer langen, welligen Haare. Noch zwei Mädchen bewegten sich unruhig. Die anderen saßen still da.
    »Guten Morgen, meine Damen«, sagte Crandall Wascomb. »Dies sind Polizisten, und sie sind sehr nett. Dieser Herr hier ist Lieutenant, und er ist hier, um Ihnen zu helfen, diese beiden Herren möchten Ihnen helfen …« Er warf uns einen hilflosen Blick zu und verstummte.
    Milo sagte: »Hallo zusammen.«
    Valerie zeigte mit dem Finger auf uns. »Sie waren schon mal hier.«
    Milo gab mir mit einer winzigen Kopfbewegung das Zeichen zum Einsatz.
    »Ja, das waren wir, Valerie«, sagte ich.
    »Sie kennen meinen Namen?« Anklagender Tonfall.
    Einige der Mädchen kicherten.
    Ich fragte: »Wo ist Cherish, Valerie?«
    »Weggegangen.«
    »Wann ist sie gegangen?«
    »Als es dunkel war.«
    »Um welche Uhrzeit?«
    Ihr Starren verriet mir, dass die Frage absurd war.
    In dem Raum gab es keine Uhr, kein Radio, keinen Fernseher. Licht vom Fenster wäre der einzige Anhaltspunkt dafür, wie spät es war.
    Der Raum war sauber - makellos, der Zementboden frisch gewischt. Jedes der sechs Etagenbetten war identisch ausgestattet: zwei kleine weiße Kissen und ein weißes Laken, das über einer rosafarbenen Decke zurückgeschlagen war.
    Die Decken militärisch straff gespannt.
    Ich konnte mir nicht vorstellen, dass Wascomb die Mädchen angewiesen hatte, ihre Betten zu machen. Das gehörte für sie wohl zur Routine.
    »Hat sonst jemand eine Ahnung, um wie viel Uhr Cherish gegangen ist?«, fragte ich.
    Zwei Köpfe wurden geschüttelt. Ordentlich frisierte Köpfe. Die Mädchen machten einen wohlgenährten Eindruck. Wie oft verließen sie das Grundstück? Diesen Raum? Wurden die Mahlzeiten im großen Haus eingenommen oder hier? Schloss der Nachhilfeunterricht auch Ausflüge ein? Vielleicht war das der Grund dafür, dass niemand ans Telefon gegangen war, als ich vor ein paar Tagen angerufen hatte. Oder …
    Was für Auswirkungen auf die Wahrnehmung der Realität hatte es, in einem derart beengten, sterilen Raum zu wohnen?
    »Möchte jemand die Zeit schätzen?«, fragte ich.
    »Die wissen gar nichts«, sagte Valerie. »Ich hab sie gehen sehen. Ich allein.«
    Ich ging näher zu ihr. Mehr Gekicher. »Haben Sie mit Cherish gesprochen, Valerie?«
    Schweigen.
    »Hat sie irgendwas gesagt?«
    Widerwilliges Nicken.
    »Was hat sie gesagt?«
    »Sie müsste ausgehen, jemand würde sich um uns kümmern.«
    Eins der anderen Mädchen stieß seine Nachbarin mit dem Ellbogen an. Valerie sagte: »Hast du ein Problem?«
    »Ich hab kein Problem.« Schnelle Antwort, aber mit schüchterner Stimme.
    »Das ist auch besser so.«
    Wascom sagte: »Na, na, meine Damen, bleiben wir doch ganz ruhig.«
    Milo fragte: »Was ist mit Mr. Daney? Wann ist er gegangen?«
    »Drew ist vorher gegangen«, sagte Valerie.
    »Vor Cherish?«
    »Gestern. Sie war wütend auf ihn.«
    »Cherish war wütend?«
    »Ja.«
    »Weswegen war sie wütend?«
    Achselzucken.
    »Woran erkannten Sie, dass sie wütend war?«, fragte ich.
    »An ihrem Gesicht.« Valerie schaute die anderen Mädchen Bestätigung heischend an. Zeigte auf ein bebrilltes Mädchen mit dünnen glatten Haaren. Das Mädchen machte mit seiner Zunge an den Zähnen ein quietschendes Geräusch. Valeries finsterer Blick veranlasste es nicht, damit aufzuhören. Mein Lächeln schon.
    »Also war Cherish wütend auf Drew«, sagte ich.
    Valerie stampfte mit dem Fuß auf. »Trish?« Zeigte auf ein hübsches, langbeiniges Mädchen mit einer jungenhaften Frisur und einem feinknochigen, von Akne entstellten Gesicht.
    Kurzform von »Patricia«. Laktosesensitiv. Braucht Hilfe beim Lesen und Schreiben.
    Sie antwortete nicht.
    Valerie sagte: »Man kann an ihrem Gesicht sehen, dass sie wütend ist. Sag das.«
    Trish lächelte mit verträumtem Blick. Ihr Schlafanzug war himmelblau.
    »Sag es!«, verlangte Valerie. »An ihrem Gesicht !«
    Trish gähnte. »Auf mich ist sie nie sauer gewesen.«
    »Nur auf Drew«, sagte ich.
    Ein anderes Mädchen sagte: »Er ist letzte Nacht nicht nach Haus gekommen, wahrscheinlich war sie darüber wütend.«
    »Es gefiel ihr nicht, wenn er nicht nach Hause kam«, sagte ich.
    »Nee.«
    »Geschah das häufig?«
    Achselzucken.
    Valerie drehte eine dicke

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