Bluttat
zwei Jungen. Beide wohnten in einer Siedlung mit Sozialwohnungen, die wie eine Narbe auf der anderen Seite des Parks saß, der parallel zur Rückseite des Einkaufszentrums verlief. Zweihundert schludrig gebaute, mit Bundesmitteln finanzierte Dreizimmerwohnungen, verteilt auf eine Vierergruppe dreistöckiger Häuser, umgeben von einem Maschendrahtzaun, in den Dutzende von Löchern geschnitten waren. Eine schäbige, gefängnisähnliche Siedlung, die bei den Streifenbeamten des Viertels einen gewissen Ruf genoss - 415 City nannten sie sie, nach dem Strafrechtsparagraphen für Ruhestörung.
Der Hausverwalter von Gebäude Nr. 4 sah das Videoband eine Sekunde und zeigte auf den kleineren Jungen. »Troy Turner. Ihr seid früher schon seinetwegen hierhergekommen. Genauer gesagt, letzte Woche.«
»Tatsächlich«, sagte Sue Kramer.
»Yeah. Er hat seine Mutter mit einem Porzellanteller geschlagen, hat ihr eine Gesichtshälfte aufgerissen.« Der Hausverwalter massierte seine unrasierte Wange. »Davor hat er einigen kleinen Kindern Angst eingejagt.«
»Wie hat er ihnen Angst eingejagt?«
»Indem er sie gepackt und rumgeschubst hat, ihnen mit einem Messer vor der Nase rumgewedelt hat. Ihr hättet ihn längst einsperren sollen. Was hat er jetzt angestellt?«
»Wer ist der Größere?«, fragte Reyes.
»Randolph Duchay. Ein bisschen zurückgeblieben, aber er macht keine Probleme. Falls er was angestellt hat, liegt’s wahrscheinlich an Troy.«
»Wie alt sind sie?«, fragte Fernie Reyes.
»Mal sehen«, sagte der Hausverwalter. »Troy ist zwölf, glaub ich. Dann ist der andere vielleicht dreizehn.«
3
Die Detectives fanden die Jungen im Park.
Sie saßen im Dunkeln auf zwei Schaukeln und rauchten, die brennenden Enden ihrer Zigaretten orangefarbene Glühwürmchen. Sue Kramer konnte das Bier aus einer Entfernung von einigen Metern riechen. Während sie und Reyes näher kamen, warf Rand Duchay seine Dose Bud ins Gras, aber der Kleinere, Troy Turner, versuchte nicht mal, seine zu verbergen.
Er nahm einen großen Schluck, als sie ihm direkt gegenüberstand. Starrte sie mit den kältesten Leck-mich-Augen an, die sie seit langem gesehen hatte.
Wenn man von den Augen absah, war er ein erstaunlich kleiner, schwach aussehender Junge mit dünnen Ärmchen und einem blassen dreieckigen Gesicht unter einem Wust ungepflegter, schmutzig blonder Haare. Er hatte seinen Kopf an den Seiten glatt rasiert, was die buschigen Haare oben nur noch wilder wirken ließ. Der Hausverwalter hatte gesagt, er wäre zwölf; er hätte für jünger durchgehen können.
Randolph Duchay war ziemlich groß und breitschultrig und hatte wellige, kurze braune Haare und ein verschwollenes Gesicht mit dicken Lippen, das von entzündeten Pickeln heimgesucht wurde. Auf seinen Armen traten bereits Adern hervor, und es waren deutlich Muskeln zu erkennen. Ihn hätte Sue auf fünfzehn oder sechzehn geschätzt.
Er war groß und verängstigt . Im Licht von Sues Taschenlampe war seine Angst sofort zu erkennen, der Schweiß auf seiner Stirn und seiner Nase. Ein Tropfen löste sich von seinem verpickelten Kinn. Er blinzelte nervös.
Sie ging direkt auf ihn zu und hielt ihm einen Finger vors Gesicht. »Wo ist Kristal Malley?«
Randolph Duchay schüttelte den Kopf. Fing an zu weinen.
»Wo ist sie?«, fragte sie in scharfem Ton.
Die Schultern des Jungen hoben und senkten sich wieder. Er machte die Augen zu und begann zu schaukeln.
Sie zog ihn auf die Füße. Fernie machte es mit Troy Turner genauso, stellte ihm die gleiche Frage.
Turner reagierte mit völliger Passivität darauf, dass er durchsucht wurde. Sein Gesicht war so ausdruckslos wie eine Spanplatte.
Sue übte Druck auf Duchays Arm aus. Der Bizeps des Jungen war steinhart; falls er Widerstand leistete, wäre er ein ernst zu nehmender Gegner. Ihre Pistole war in ihrem Hüftholster, außer Reichweite. »Wo zum Teufel ist sie, Randy?«
»Rand«, sagte Troy Turner. »Er ist kein Randy.«
»Wo ist Kristal, Rand?«
Keine Reaktion. Sie drückte fester zu, grub ihre Nägel in seinen Arm. Duchay ächzte und zeigte nach links. An den Schaukeln vorbei und quer über den Spielplatz zu zwei öffentlichen Toiletten aus Schlackensteinen.
»Ist sie auf dem Klo?«, fragte Fernie Reyes.
Rand Duchay schüttelte den Kopf.
»Wo ist sie?«, knurrte Sue. »Sag’s mir - jetzt .«
Duchay zeigte in dieselbe Richtung.
Aber er schaute woandershin. Rechts neben die Toiletten. Auf die Südseite des Schlackensteinklotzes, wo eine Ecke
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