Bluttat
irgendeine Beleuchtung im Innern zu erkennen. Wir versuchten es zuerst mit dem Büro.
Geschlossene Tür, Vorhänge vor den Fenstern. Keine Reaktion auf Milos Klopfen.
Als wir uns den Erfrischungen näherten, öffnete sich quietschend die Tür, und eine große, dünne Frau in einem braunen Kleid trat auf die Veranda und legte die Hände auf die Hüften.
»Kann ich Ihnen helfen?«
Milo setzte sein Begrüßungslächeln auf, während wir auf sie zugingen. Das änderte nicht den wachsamen Ausdruck auf ihrem Gesicht. Auch sein Abzeichen und seine Visitenkarte schafften das nicht.
»Polizei aus L.A.« Sie hatte die Stimme einer Raucherin, sehnige, sommersprossige Arme und ein faltiges, von der Sonne ausgetrocknetes Gesicht, das vor einigen Jahrzehnten vermutlich schön gewesen war.
Weit auseinanderliegende bernsteinfarbene Augen mit rosa Wimpern sahen uns beide prüfend an. Ihre Nase war kräftig und gerade, ihre Lippen waren aufgesprungen, machten aber den Eindruck einstiger Fülle. Dauergewellte rotbraune Haare umrahmten sie auf eine Weise, dass man den Faltenwurf an ihrem Hals kaum sehen konnte. Weiße Kräusellöckchen an ihrem Haaransatz verrieten, dass eine Auffrischung fällig war. Für eine Frau ihres Alters - mindestens fünfundsechzig, meiner Schätzung nach - war die Haut an ihrem Unterkiefer straff. Katharine Hepburns Cousine vom Land.
Sie versuchte Milo seine Karte zurückzugeben.
»Die dürfen Sie behalten, Ma’am«, sagte er, und sie faltete die Karte so klein, dass sie in ihrer Hand verschwand. Das braune Kleid war aus einem floralen Jerseystoff und ließ ihre Schulter- und Hüftknochen deutlich hervortreten. In dem V-Ausschnitt war der obere Rand ihres sonnenfleckigen Brustbeins zu sehen. Ihr Busen war flach.
»Ich hab mal in L.A. gelebt«, sagte sie. »Damals, als ich es noch nicht besser wusste. Dieselbe Frage, Lieutenant Sturgis. Was kann ich für Sie tun?«
»Wohnt Barnett Malley hier?«
Die bernsteinfarbenen Augen blinzelten. »Alles okay mit ihm?«
»Soweit ich weiß, Ma’am. Dieselbe Frage.«
»Barnett arbeitet hier, und ich stelle ihm eine Bleibe zur Verfügung.«
»Er arbeitet als...«
»Als mein Helfer. Er tut, was getan werden muss.«
»Als Mädchen für alles?«, fragte Milo.
Die Frau runzelte die Stirn, als würde er es nie kapieren. »Er bringt Sachen in Ordnung, aber es ist mehr als das. Manchmal hab ich Lust, nach Santa Clarita zu fahren und mir einen Film anzusehen - Gott weiß, warum, sie sind alle grauenhaft. Barnett hält den Laden für mich in Schwung, und er macht das ganz ausgezeichnet. Warum fragen Sie nach ihm?«
»Lebt er hier auf dem Grundstück?«
»Dort drüben.« Sie zeigte auf das Eichenwäldchen.
»In den Bäumen?«, fragte Milo. »Ein zweiter Tarzan?«
Sie gestand ihm ein halbes Lächeln zu. »Nein, er hat eine Hütte. Man kann sie von hier nicht sehen.«
»Aber er ist jetzt nicht da.«
»Wer hat das gesagt?«
»Sie haben gefragt, ob alles okay mit ihm -«
»Ich meinte, ob er copmäßig okay ist, nicht ob er okay ist, weil er irgendwo da draußen ist.« Sie warf einen Blick in Richtung Landstraße. Ihre Augen verrieten, dass sie die Welt außerhalb des Campingplatzes für stark überschätzt hielt.
»Hat Barnett schon mal Schwierigkeiten mit den Cops gehabt, Mrs. …«
»Bunny«, sagte sie. »Bunny MacIntyre. Die Antwort ist Nein.«
Milo sagte: »Dann haben Sie also früher in L.A. gewohnt.«
»Machen wir jetzt Smalltalk? Ja, ich hab in Hollywood gewohnt. Hatte ein Apartment am Cahuenga Boulevard, weil ich in der Nähe der Burbank Studios sein musste.« Sie warf die Haare zurück. »Ich hab als Stuntwoman beim Film gearbeitet. Hab ein paarmal Miss Kate Hepburn gedoubelt. Sie war viel älter als ich, aber sie hatte einen tollen Körper, und deshalb hatten sie Verwendung für mich.«
»Mrs. MacIntyre -«
»Ich soll wieder zur Sache kommen, wie? Barnett ist noch nie in irgendwelchen Schwierigkeiten gewesen, aber wenn Cops aus L.A. den ganzen Weg hierher fahren und Fragen stellen, dann tun sie das nicht, um sich eine schöne kalte Dose aus meinem Cola-Automaten zu ziehen. Der übrigens ganz prima funktioniert. Ich hab Nachos und Chips und importiertes Bison-Trockenfleisch.« Sie beäugte Milos Taille. »Bison ist gut für Sie, enthält das gesättigte Fett von Hühnern ohne Haut.«
»Woher ist es importiert?«, fragte er.
»Aus Montana.« Sie drehte sich um und ging wieder hinein. Wir folgten ihr in einen halbdunklen Raum mit breiten
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