Bluttaufe: Thriller
Computer war bereits in den Kleinen Konferenzraum geschafft worden. Er musste sich erst einmal sammeln und betrat dann ein Zimmer, in dem ein Kollege die Asservate verwaltete.
»Kann ich mal an deine Kiste?«, fragte Tannen.
Ohne ein Wort zu sagen, stand der Kollege auf und wies auf seinen Stuhl.
Tannen überflog seine neuen Nachrichten. Das BKA hatte ihm tatsächlich die Liste mit sämtlichen erfassten Zahnarztpraxen der Bundesrepublik geschickt.
Er hängte das von den Gerichtsmedizinern erstellte Bild an die Datei und formulierte eine Mail.
Der Gerichtsbeschluss für die Samenbanken, die sich sowieso auf ihre Verschwiegenheitspflicht berufen würden, war noch nicht da.
Tannen erstellte eine Liste mit Begriffen wie Gendefekt, Gen-Chaos, Hightech-Medizin, Leserbrief Gen. Nach vierzig Begriffspaaren gab er das erste Wort in die
Suchmaschine ein. Gendefekt allein ergab 80.000 Treffer. Völlig ausgeschlossen, dass er sich diesen Wust an Informationen auch nur anzusehen versuchte. Er probierte es mit »Gendefekt+Leserbrief«. Diesmal spuckte Google 150.000 Einträge aus. Er rief ein paar Seiten auf, die tatsächlich allerlei Einwände, Proteste, aber auch Befürworter der Gentechnologie zu Wort kommen ließen. Das Thema wurde heiß diskutiert. Auf einen vagen Verdacht hin dieses Material zu sichten, war ganz und gar ausgeschlossen. Er brauchte etwas Handfestes, einen Namen, einen Ort, ein Institut oder einen feststehenden Begriff, der die Suche eingrenzte. Doch es war sicher nicht zu erwarten, dass der Täter ihnen den Gefallen tat und im Internet eine Art Visitenkarte hinterließ.
Plötzlich stand der Kollege neben ihm, der ihm seinen Platz überlassen hatte.
»Ich müsste da wieder ran«, sagte er und legte ein Notebook auf den Schreibtisch.
»Das Ding hier ist hängengeblieben. Neueste Technik, was wirklich Feines. Superschneller Prozessor, titanverstärkt, Akku mit Laufzeit von sieben Stunden. Kannst du gerne haben. Ist sogar noch mit einer Surf-Flatrate ausgestattet.«
Tannen fuhr mit der Hand über das flache Gerät. Es sah unbenutzt aus.
»Ist von einem Buchhalter, der für den Kiez gearbeitet hat. Da sind Programme drauf … nicht so ein Schrott, mit dem wir hier arbeiten. Kannst du bei dem Fall, den ihr an den Hacken habt, gut gebrauchen.«
Tannen klappte den Deckel auf und strich mit den Fingerkuppen über die Tasten.
Er hatte sich gerade mit dem Gerät an ein kleines Tischchen
in der Ecke gesetzt, da wurde die Tür aufgerissen und Kaja Winterstein schwenkte zwei Pizzakartons in der Luft.
»Schinken-Salami oder Vegetarisch?«, fragte sie.
Tannen wandte sich von dem Notebook ab.
»Wenn Sie diesen Fall als einen Grund zum Feiern sehen?«
»Natürlich nicht«, sagte Kaja Winterstein. »Ich wollte ein wenig gute Stimmung machen.«
»Ja, natürlich. Salami-Schinken«, sagte Tannen und bedankte sich. Sie drückte ihm die Pizza in die Hand.
»Wir sehen uns ja gleich beim Meeting.«
Tannen murmelte ein »Ja« und starrte auf die Auflistung seiner Stichworte. Gab es ein bestimmtes Wort, eine Formulierung, die ein derart brutaler Täter benutzte? Redete er von Menschenrechten oder Pharmaindustrie? Beschuldigte er Verantwortliche direkt? Die Gesundheitsministerin, Konzerne oder dort beschäftigte Vorstände oder Aufsichtsräte?
Er biss in die Pizza und wurde aus seinen Gedanken gerissen. Alles was recht war, sie war kross und saftig zugleich, gut mit Oregano und einer Spur Rosmarin gewürzt. Und anscheinend mit ein paar Tropfen Tabasco verfeinert. So etwas hatte er noch nie von einem Lieferservice bekommen, er musste unbedingt die Winterstein fragen, welchen Pizzadienst sie angerufen hatte. Nun gut, sie war nur noch lauwarm, aber trotzdem.
Halb fünf. Die weitere Befragung der Nachbarn musste er verschieben, in einer Stunde fand das Meeting statt.
Wie auch immer, die vor ihm liegende Liste brachte ihn nicht wirklich weiter, es fehlte ein Schlüsselwort. Sicher, er
hätte Weitz fragen können. So abgedreht der zuweilen zu Werke ging, er hatte oft glänzende Ideen. »Intuition«, hatte das seine Freundin Joyce genannt.
Aber wie konnte so ein dumpfes Arschloch wie Weitz, der kaum zu einem komplexeren Gedanken fähig war, wie konnte so ein Typ über »Intuition« verfügen?
»Die Intuition kümmert das nicht«, hatte Joyce gesagt. Im Übrigen könne man lernen, »sich empfänglich« zu machen.
»Wir versuchen das mal«, hatte sie gesagt und war zu einem Treffen mit Existenzgründern
Weitere Kostenlose Bücher