Bluttaufe: Thriller
nichts, aber auch gar nichts spricht dafür, dass er aufhört.«
»Und wenn er den Burschen da hinten gesucht hat? Ich meine einen gleichwertigen Gegner wie Sienhaupt?«
»Den Savant einzusetzen war unser Zug. Ich hoffe, Sienhaupt hat noch nicht preisgegeben, dass er in unserem Auftrag im Netz ist.«
»Weiß Sienhaupt das auch? Ich meine, das mit dem Auftrag?«
Mangold schwirrte der Kopf. Dieser Alptraum nahm Formen an, die sich wie die Splitter von Streubomben verteilten. Jederzeit hätte er die Kapitulationsurkunde unterschrieben, doch das reichte diesem Savant nicht.
Mangold griff zum Telefon. Wie schaffte er es, Kaja Winterstein zurückzuholen, ohne am Telefon die Ergebnisse des Fingerabdruckvergleichs preiszugeben. Gar nicht, sagte er sich und informierte Kaja Winterstein über den »vagen Verdacht«, dass sich ihre Tochter eben nicht in Zürich aufhalte.
»Was soll das bedeuten?«, schrie sie ins Telefon.
»Setzen Sie sich ins Flugzeug und kommen Sie zurück, wir besprechen hier alles Weitere.«
»Haben Sie Informationen über Leonie? Gibt es eine Nachricht von den Entführern?«
»Der nächste Flug geht in einer Stunde. Ich lasse Sie vom Flughafen abholen.«
Kaja Winterstein widersprach, doch Mangold legte einfach den Hörer auf.
Hensen saß in dem kleinen Hinterhof, in dem er am Vortag die verfallene Moschee entdeckt hatte. Er nippte an seinem Retsina und beobachtete die vor der Taverne Fußball spielenden Kinder.
Vor vielen Jahren hatte man zaghafte und vergebliche Versuche gemacht, das Gebäude zu retten. Das Baugerüst hatte man nicht mehr abgebaut, und so rostete es als klappriges Eisenskelett neben der Moschee vor sich hin.
Zwei Mädchen kickten mit einem Jungen und wurden vom Tavernenbesitzer aus der Nähe der Tische verjagt. Die Kinder blickten betroffen zu Boden, hatten sich aber schon nach wenigen Minuten wieder in die Nähe der Gäste gespielt. Besonders die Jüngste, die vielleicht fünf Jahre alt sein mochte, fiel durch ihre rabiate Spielweise auf.
Der Wirt brachte ihm einen Teller mit Honigmelonenstücken und nickt entschuldigend zu den Kindern hinüber.
Nichts an dem Mauerstück da vorn, gut dreißig Meter von ihm entfernt, erinnerte an die abgetrennte Hand, die man aus der Nische gezogen hatte.
Zwei Touristen schlenderten auf ihn zu und studierten die Speisekarte, die auf einem Tisch lag.
Der Wirt machte eine einladende Geste, und einer der Touristen fragte ihn, ob es denn genug Essen für eine größere Gruppe gäbe. »Endaxi«, sagte der Wirt und begann, die Tische zusammenzurücken.
Die beiden Männer wuchteten ihre Wanderrucksäcke von den Rücken und winkten eine Gruppe von Menschen in Freizeitkleidung heran.
Hensen zog gerade sein Portemonnaie aus der Tasche, als er direkt an der Mauernische, in der die Hand gefunden wurde, jemanden entdeckte. Es war ein Mann in einem blauen Overall, der etwas Längliches aus einem Zeitungspapier wickelte.
Hensen griff nach seiner Kamera, zoomte auf den Mann und traute seinen Augen nicht. Zweifellos waren es Finger, die in einer lässigen Pose über den Mauerabsatz ragten.
Er sprang auf und stürmte unter den verwunderten Blicken des Wirts auf den Mann zu. Der bemerkte Hensen erst, als er ihm zwei Knöchel in den Rücken presste.
»Policia, Policia!«, rief Hensen, dem in diesem Moment das griechische Wort für Polizei nicht einfiel. Der Mann begann zu zittern und blieb mit erhobenen Händen vor der Mauer stehen.
Hensen bemerkte erst Sekunden später, dass sich der Tavernenwirt neben ihn gestellt und einen uralten Karabiner auf den Mann an der Mauer gerichtet hatte.
Der Wirt sagte ein paar Worte, die Hensen nicht verstand, sich aber wie Flüche anhörten. Dann kniete sich der Mann mit erhobenen Händen hin und legte sich auf den Boden. Der Wirt machte eine Geste, die unschwer als »Mach schon« zu deuten war. Er brummte: »Astinomia, astinomia.«
Hensen drehte die Hände des Mannes nach hinten und setzte sich auf seinen Rücken.
Weiter Verwünschungen ausstoßend, behielt der Wirt seine Waffe im Anschlag.
Wenige Minuten später kam ein Wagen der griechischen Polizei durch die Gasse gerast.
Seltsamerweise wehrte der Mann sich nicht, sondern
stöhnte nur leicht. Seinen grauen Haaren nach zu urteilen, musste er schon älter sein.
Als die Polizisten eintrafen, deutete Hensen auf die im Mauervorsprung liegende Hand. Einer der Polizisten beugte seinen Kopf dicht heran und schob sich die Uniformmütze
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