Blutträume
fest. »Das Dach könnte über uns einstürzen. Ohne weiteres.«
Genau ihr Text.
Bishop tauchte ebenso unvermittelt aus dem Rauch auf wie zuvor Roxanne, die Waffe in der Hand, mit versteinerter Miene und gequältem Blick. »Wir müssen uns beeilen.«
»Ja«, antwortete Roxanne, »ist uns klar. Brennendes Gebäude. Wahnsinniger Mörder. Das Gute dem Bösen stark unterlegen. Verfahrene Situation.« Wortwahl und Ton waren flapsig, doch der Blick, mit dem sie ihn ansah, war angespannt und prüfend.
Vorher war es immer Hollis.
Warum ist sie es jetzt nicht?
»Du hast ›mögliches Opfer in der Gewalt eines wahnsinnigen Mörders‹ vergessen«, ergänzte er in nüchternem Ton.
»Niemals. Dani, hast du den Keller gesehen oder erahnst du ihn?«
Oh, richtig – ich besitze Paris’ Fähigkeiten.
»Die Treppe. Ich hab sie gesehen.« Das Gewicht auf ihren Schultern fühlte sich an, als lastete die ganze Welt auf ihr, zu schwer, um es abzuschütteln. Also war es vielleicht das, was sie so niederdrückte. Oder … »Und jetzt spüre ich … Er ist noch tiefer. Er ist unterhalb von uns.«
»Dann suchen wir nach einer Treppe.«
Dani musste husten. Sie versuchte nachzudenken, sich zu erinnern. Doch erinnerte Träume waren etwas so Vages, nicht Greifbares. Sogar Visionsträume waren das manchmal, und sie konnte sich einfach nicht sicher sein, dass ihre Erinnerungen korrekt waren.
Verdammt, warum muss ich das immer wieder durchmachen? Warum führe ich sie nicht einfach zu der blöden Treppe?
Und wo zum Teufel ist Hollis?
Warum ist es diesmal anders?
Liegt es an mir?
Was habe ich um Gottes willen getan?
Da ihr nur allzu bewusst war, dass kostbare Zeit verstrich, sah sie auf ihre Armbanduhr, dieses absurd kindische Micky-Maus-Ding mit dem leuchtend roten Band und dem Cartoon-Zifferblatt, das ihr anzeigte, dass es 16 Uhr 17 am Montag, dem … 13. Oktober war.
Was? Oh mein Gott. Das ist morgen.
Warum, verdammt?
Wieso hat sich das Datum geändert?
»Dani?«
Sie schüttelte die momentane Verwirrung ab. »Die Treppe. Nicht da, wo man sie vermuten würde«, sagte sie und hustete erneut. »Sie ist in einem kleinen Raum oder einem Büro. So was in der Art. Kein Flur. Flure …«
»Was denn?«
Der Augenblick der Gewissheit war flüchtig, aber absolut, und gab dem Ausdruck déjà vu eine ganz neue Bedeutung für Dani.
Himmel, das ist ja, als steckte ich in einer Endlosschleife …
»Der Keller ist geteilt«, hörte sie sich sagen. »Durch eine massive Wand. Zwei große Räume. Zugänglich vom Erdgeschoss aus über zwei verschiedene Treppen, eine an jeder Seite des Gebäudes, im hinteren Teil.«
Zwei Fallen. Nicht eine.
Nein … zwei Teile zu einer Falle.
»Was ist das denn für ein hirnrissiger Bauplan?«, beschwerte sich Roxanne.
»Falls wir hier lebend herauskommen, kannst du ja den Architekten fragen.« Der Blutgeruch war überwältigend, und Danis Kopfschmerzen … Nein, diesmal hatte sie keine Kopfschmerzen.
Okay, ich bin jetzt eindeutig stärker, aber …
Eine Falle mit zwei Teilen …
Morgen! Wie kann es schon morgen sein?
Wieso hat sich das Datum geändert? Was ist passiert? Liegt es daran, dass wir das Lagerhaus diesmal schneller gefunden haben – oder finden werden? Weil Paris es geschafft hat, ihre Fähigkeiten auf mich zu übertragen?
Nein, warte …
Bishop sagte »potenzielles Opfer«.
Gott.
O mein Gott.
Wo ist Hollis?
Marc tauchte genauso unvermittelt aus dem Rauch auf wie die anderen beiden und griff nach ihrer Hand. In der anderen hielt er einen großen Revolver.
Die richtige Waffe diesmal. Wenigstens etwas.
»Wohin jetzt?«, fragte er. »Bei dem Rauch kann ich überhaupt nichts sehen.«
Roxanne beantwortete seine Frage. »Dani führt uns.«
Er blickte mit ruhiger Miene auf sie hinunter, doch seine Augen strahlten etwas so Intimes wie eine Liebkosung aus.
Wow. Wusste noch gar nicht, dass ein Mann nur durch Blicke mit einem schlafen kann. Was sagt man dazu?
Marc sagte: »Mir war schon immer klar, dass die schöne Assistentin der wahre Magier ist. Wie der Mann hinter dem Vorhang des Zauberers. Wohin, Dani?«
Dasselbe – und doch nicht. Warum verändert sich dauernd etwas?
Dann fragte Bishop: »Sie wissen nicht, auf welcher Seite sie sind?«
»Nein, tut mir leid.« Ihr war, als würde sie sich ständig bei diesem Mann entschuldigen, seit sie ihn kannte. Zum Teufel, das tat sie ja auch.
Das stimmt nicht. Er hat sich bei mir entschuldigt. Die ersten Worte, die er zu mir gesagt hat,
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