Bluttrinker (German Edition)
hockte.
In der Zwischenzeit bewegten sich draußen dreißig Bluttrinker durch den Wald
und umschlossen das Hauptquartier. Viktor schätzte, dass keiner von ihnen
weniger als ein gutes Jahrtausend auf dem Buckel hatte.
„Also gut“, begann Lukas, wesentlich ruhiger als er sich
fühlte. „Ich bin für jeden Vorschlag dankbar. Was machen wir jetzt?“
„Die Alten haben genug Krieger ausgeschickt, dass sie es mit unserer gesamten
Truppe hätten aufnehmen können. Sie glauben, dass wir hier rumsitzen und uns
einen runterholen.“ Charlys Stimme troff vor Sarkasmus, bis er sich seines
Publikums erinnerte.
„Tschuldigung, Ladys“, brummte er.
„Das sollen sie ja auch glauben“, bemerkte Jamal trocken.
„Wir sind dermaßen unterlegen, dass jeder Gedanke an einen Kampf von vornherein
eine Lachnummer wäre“, konstatierte einer der Wächter. „Uns bleibt nur, im
Interesse der Frauen, annehmbare Bedingungen für die Kapitulation aushandeln.“
Samantha sprang von ihrem Stuhl auf.
„Ich spreche im Namen aller Gefährtinnen, wenn ich sage, dass wir unter keinen
Umständen mit einer Kapitulation einverstanden sind. Und auf gar keinen Fall
werden wir als Vorwand dafür herhalten. Keine von uns ist bereit, sich als
Geisel in die Hände der Alten Götter zu begeben!“
„Bei allem Respekt, Ladys.“ Maximilian war der älteste Bluttrinker, der
zurückgeblieben war. Die Wächter waren die Männer fürs Grobe und benötigten
keine herausragenden telepathischen Fähigkeiten für ihre Tätigkeit. Sicher
verstanden sie zu kämpfen. Doch selbst der fünfhundert Jahre alte Max war jedem
Einzelnen der Krieger, denen sie sich gegenübersahen, hoffnungslos unterlegen.
„Das ist mehr als unvernünftig! Die Alten Götter sind angetreten, um dieses
Quartier zu erobern. Wenn wir uns kampflos ergeben, stehen die Chancen, dass
sie euch Frauen am Leben lassen, wesentlich besser.“
Samantha verschränkte die Finger, um das Zittern ihrer Hände zu unterdrücken.
Ihre Stimme bebte zornig.
„Du erwartest also, dass wir uns wie willenloses Vieh in Gefangenschaft
begeben, während die Krieger euch abschlachten? Denn das werden sie tun, oder
etwa nicht?“
Max zuckte fatalistisch die Schultern.
„Der Einzige unter uns, der ebenfalls einen gewissen Wert für Verhandlungen
darstellt, wäre Johanns Sohn. – Du solltest darüber nachdenken, Lukas!“
Wenn Lukas das Verständnis für Samanthas Standpunkt gefehlt
hätte, wären ihm spätestens in diesem Moment ihre Beweggründe klar geworden.
Wütend fuhr er den Wächter an:
„Wofür hältst du mich? Glaubst du ernsthaft, ich lasse mich zur Geisel gegen
meinen Vater machen?“
„Ich halte dich für zu jung und zu talentiert, um sinnlos zu sterben. Ganz
davon abgesehen, dass der Tod jeder Frau hier auch einem Jäger das Leben kosten
wird.“
Unwillkürlich wanderte Lukas Blick hinüber zu der ehemals kraftvollen und
energischen Gestalt des Ratsherrn.
Nora erhob sich ebenfalls, legte die Hand auf Samanthas Schulter und blickte
entschlossen in die Runde.
„Glaubt nicht, dass wir das nicht berücksichtigt haben. Das
haben wir sehr wohl! Ja, ich glaube auch, dass die Alten Götter sich nach uns
als Beute alle Finger lecken. Ich für mein Teil bin nicht bereit, Johann auf
solche Weise angreifbar und erpressbar zu machen.“
Nora folgte bewusst dem Blick ihres Sohnes. Der ehemalige Ratsherr war zu tief
in Depression versunken, um es zu bemerken.
„Es wäre für ihn ein Schicksal, schlimmer als der Tod, wenn er vor der Wahl
stünde, mich oder seine Loyalität zu opfern. Und es wäre sein Tod, egal wie er
sich entscheidet. Lieber würde ich mit eigenen Händen das Schwert führen, dass
ihm den Kopf abtrennt.“
Zustimmung von den übrigen Gefährtinnen erhob sich.
Max und ein paar andere Wächter, darunter Karol, schüttelten missbilligend die
Köpfe.
Lukas hob beschwichtigend die Hände.
„Nora, ich teile deine Einstellung. Ich werde mich ebenfalls auf keinen Fall
zum Druckmittel machen lassen. Und ich werde nicht zulassen, dass das mit einer
von euch geschieht. Im Augenblick besteht noch eine dritte Möglichkeit.
Die Krieger wissen nicht, dass wir gewarnt sind. Sie werden den Kreis
vermutlich erst kurz vor dem Angriff komplett schließen. Sie müssen wissen,
dass die Zufahrtsstraße am besten überwacht wird und die Gefahr einer
Entdeckung recht groß wäre. Sie würden wohl kaum zusehen, wie eine größere
Anzahl von uns das Quartier verlässt. Aber zwei oder drei zivile Fahrzeuge
werden sie
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